01.10.2021 - Stefan Erlich - 13 Kommentare
Nachdem die Kita unserer Kinder dank krankem Personal mal wieder geschlossen hatte, fand ich mich mit meiner Frau und unserem Nachwuchs kürzlich zu ungewöhnlich früher Stunde in einem Frankfurter Cafe wieder. Die Stimmung war exzellent, dank Kaffee, Apfelschorle und Kuchen. Doch plötzlich zogen Wolken auf, es wurde unheimlich dunkel und innerhalb weniger Sekunden regnete es Mengen herab, die wir nur aus unseren Urlauben in Südostasien kennen. Nicht nur unsere Kinder waren sichtlich irritiert, sondern auch wir stürzten hastig in den Innenbereich des Cafes, um uns und unsere Sachen vor dem herabfallenden Nass zu retten. Halb durchnässt standen wir schließlich am Fenster und verfolgten mit offenen Mündern das Naturschauspiel auf der Straße.
Reflexartig suchte ich kurz darauf nach meinem Portemonnaie. Meine Frau hatte es bei unserer Flucht glücklicherweise noch schnell vom Tisch in den Kinderwagen geworfen, doch beim Öffnen merkte ich, dass es einiges an Regen abbekommen hatte. Ich zog einen völlig durchnässten 50 € Schein heraus und plötzlich schoss mir der Gedanke in den Kopf, wie wir Menschen ernsthaft daran glauben können, dass so etwas fragiles überhaupt werthaltig sein kann. Dabei meine ich mit Fragilität nicht nur den physischen Zustand des Scheins, sondern auch die damit verbundene Kaufkraft. Eigentlich gibt es doch gar keine harte Grundlage dafür, dass wir auch nächste Woche noch mit dem 50 € Schein eine Runde Sushi für die Familie kaufen können oder? Es ist am Ende reiner Glaube!
“No shit, Sherlock!” wird der ein oder andere da rufen, aber es lohnt sich dennoch, diese Tatsache immer wieder in unsere Anleger-Köpfe zu rufen, vor allem in Zeiten, in denen wir es mit einer lange nicht mehr für möglich gehaltenen Inflationsrate von 3,9 % zu tun haben und die EZB dazu nur die Schultern zuckt. All diese Euros in Form von Münzen, Scheinen und Bankkonten sind am Ende nur Zahlen ohne Wert und Bedeutung. Einzig das Vertrauen in die jederzeit mögliche Eintauschbarkeit gegen Waren und Dienstleistungen hält mich davon ab, den nassen Papierschein einfach in den Müll zu werfen. Doch dieses Vertrauen hängt an einem seidenen Faden und wurde in der Historie oft missbraucht. Ob das auch in unserer heutigen Zeit der Fall ist oder sein wird, mag ich nicht beurteilen, denn ich bin weder Verschwörungstheoretiker noch Prophet.
Zwei Dinge sind mir durch das Erlebnis im Cafe jedoch wieder einmal klar geworden: Größere Vermögen in Form von Bargeld/Kontoguthaben zu halten, ist gefährlich, denn letztlich ist man damit dem Spiel der Politik und Zentralbanker ausgeliefert und das ist eigentlich nie gut. Zum anderen sollten wir uns Anleger darin üben, für verschiedenste Eventualitäten vorbereitet zu, also handlungsfähig zu bleiben. Realisieren lässt sich das durch eine breite Streuung unserer Gelder auf unterschiedlichste Anlageklassen. Die eigene Immobilie, Aktien, Gold/Silber, Tagesgeld/Festgeld und vielleicht sogar Kryptowährungen? Noch wichtiger ist jedoch aus meiner Sicht eine gute und praxisorientierte Ausbildung, um stets wieder neues Einkommen generieren zu können. Besitzt man Fähigkeiten, für die andere bereit sind, Geld zu bezahlen, dann kann es einem bis zu einem gewissen Grad egal sein, ob es den Euro morgen noch gibt oder nicht. Den ruhigen Schlaf gibts dann sogar gratis dazu.
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Da hast du absolut recht! Auch ich bin mittlerweile etwas positiver was Aktien angeht. Ich glaube aber, es ist etwas zu kurz gegriffen, den Medien an dem Dilemma die Schuld zu geben. Die Menschen haben einfach ihre Erfahrungen gemacht mit herben Verlusten in der New Economy Bubble usw. Das kann man schwer wegdiskutieren. Ich denke, es bedarf der nächsten Generation, um im Kopf umzudenken. Wichtig ist dabei aber eben auch immer die Kommunikation, dass die Börse wie das Leben ja auch kein linearer Pfad nach oben ist, sondern eine bumpy Road, die aber doch irgendwie am Ende recht stabil nach vorne fährt. In diesem Sinne: Vielen Dank für deinen super Beitrag! VG, Stefan
Guten Tag Herr Erlich,
eine schöne und interessante Sache dieses Frage -u.Antwortspiel. Ich befinde mich in der gleichen glücklichen oder auch unglücklichen Lage wie viele Ihrer älteren Leser, die ihr langjährig Erspartes sinnvoll vor der schleichenden Geldentwertung retten wollen. Da ich seit der Geburt ihres ersten Kindes, monatlich mit Begeisterung Ihre Kolumne verfolge, die Meinungen und Ratschläge der Finanzexperten gelesen habe, warte ich immer noch auf die göttliche Eingebung, die mir verklickert, wie die verbleibende Kohle sinnvoll und gewinnbringend angelegt werden kann. Sicher werden Sie jetzt sagen "Diversifikation" ist des Rätsels Lösung. Ich werde versuchen, mir mit all meinem, über die Zeit angehäuften Finanzwissen eine Anlagestrategie zurechtzubasteln, die mich befriedigt, oder auch nicht !!!
Gruß an alle Menschen mit gleichen Problemen. W.F.
Ich bin 86 Jahre alt und es macht für mich keinen Sinn, Geld irgendwo anzulegen, da ich nicht weiß "wann ich den Löffel abgeben werde". Ich muss also damit leben, das Geld weiterhin auf einen sogenannten Sparkonto zu horten, damit meine beiden Söhne im Falle meines Todes an das Geld kommen können. Eine Bankvollmacht habe ich vorsichtshalber gemacht.....
Uns geht es nicht anders, nur sind wir erst 75/76, also auch nicht viel besser, konnte man bis vor kurzem immerhin noch "eine "Verzinsung" erzielen, doch das ist nun passe'.dafür haben wir jahrzehntelang sparsam gelebt und uns jede grössere Ausgabe gründlich überlegt, die eigenen Wohnungen verkauft, da wir auf dem Lande lebten,um in die Stadt zu wechseln, dafür wurden wir zu gerne gesehenen
weshalb das "Erbe" nicht lieberbereits jetzt, wenigstens zum Teil,mit "warmen Händen " geben, unsere Kinder haben sicher Möglichkeiten, es jetzt schon sinnvoll zu verwenden, statt dass man es aufhebtbis zum Tod.
Ja, Humankapital entwickelt sich positiv wie negativ so schnell wie die Halbleiterindustrie. Da wird es eng. Vor allem im Alter.
…kleine Korrektur: wie ich gestern in den Medien hörte, sind wir zwischenzeitlich bereits bei 4,1% Inflation angelangt. Das bedeutet, dass dein durchnässter ´Fuffí‘ real nur noch 47.95 € wert ist ;-(
Traurig aber wahr!
Wenn ich, als kleiner Rentner, welcher immer noch sehnsüchtig auf die versprochene Mindestrente für meine annähernd40 Jahre im elterlichen Betrieb berufstätige Frau wartet, und dessen Erspartes,bedingt durch 0 Zinsen und steigende Inflation immer mehr den ´Bach runter geht´, wird‘s mir ganz anders ;-(
Und die Politik hüllt sich zu diesem Thema in Schweigen.
Klar, die müssen ja jetzt auch sondieren, und sehen, das sie alles unter Dach und Fach bringen. Machtgerangel steht an erster Stelle, nach den Wahlen wohl noch mehr als vor den Wahlen.
Ich glaube, das wir unruhigen Zeiten entgegen gehen, egal wer mit wem regiert…
Mit freundlichen Grüßen
Robert Schuhmacher
47,95 € und "die müssen erstmal sondieren ..."Schön beschrieben :-)
De es mir mit 74 (und nicht gerade gesund) fast unmöglich ist,eine neue Ausbildung zu beginnen,hilft mir Ihr obiger Tipp eher weniger ;) Was mich aber irritiert: was ist jetzt bezüglich Sicherheit der Unterschied zwischen Tagesgeld/Festgeld und dem "gefährlichen" Bargeld/Kontoguthaben ?
Bankguthaben und Tagesgeld/Festgeld ist das Gleiche. Verstehen Sie mich da aber nicht falsch: Die Gefahr liegt nicht darin, dass Ihre Bank morgen pleite ist und damit auch ihr Geld futsch. Die Gefahr ist eher die schleichende Entwertung, die wir gar nicht so recht merken. VG, Stefan Erlich
Vertrauen in die eigene Stärke haben, Vertrauen ins Leben haben!Danke für Ihre persönlichen Botschaften mit Herz - so wichtig und so schön.Herzliche GrüsseBirgitt Stach
Ihr Artikel ist an dieser Stelle aber noch nicht zu Ende: „Noch wichtiger ist jedoch aus meiner Sicht eine gute und praxisorientierte Ausbildung, um stets wieder neues Einkommen generieren zu können.“
Viele Deutsche haben diese Ausbildung erworben, um dann als Angestellte bei einem Unternehmen zu arbeiten. Das Gehalt betrachtet man als relativ sicher. Bis dann die Entlassung kommt … aber das ist eine andere Geschichte.
Oftmals arbeitet man also beim Daimler, Bosch oder einem Mittelständler für ein Gehalt. Bei Unternehmen, die so manchen Sturm, darunter auch Kriege, Inflation und Rezession oder einen Corona-Lockdown überstanden haben. Warum? Unter anderem, weil sie kapitalkräftig sind. Also sollte man doch meinen, dass die Aktien dieser Unternehmen in jedem Lebensalter eine gute Anlagealternative sind. Man muss ja nicht auf Kursgewinne spekulieren, sondern einfach nur über lange Jahre eine kleine Dividende. Aber weil ein paar Medien und Ideologen Aktionärsein verteufeln, lässt der Deutsche die Finger von Aktien. Statt dafür zu sorgen, dass deutsche Unternehmen kapitalkräftig bleiben, versenkt er sein Geld lieber in Immobilien und kurbelt die Spirale an, die 2007 in den USA wie bekannt endete.
Die beste Investition für den Tagesgeld- und Girokontoanleger ist daher, seine Vorurteile über Bord zu werfen und zu lernen, warum Kapital in produktive Zwecke investiert werden muss. Gerne unter Berücksichtigung von Umwelt, Nachhaltigkeit, Zukunft unserer Kinder.
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