11.08.2014 - Heinz-Roger Dohms - 0 Kommentare
Der Knockout der Kaupthing-Bank 2008 kam nicht aus heiterem Himmel – er kam mit Ansage. Schon Anfang Juli, drei Monate vor der Schließung, hatte der Kapitalmarkt die Isländer angezählt. Für Anleihen des Instituts wurden zu diesem Zeitpunkt Renditen von rund 15 Prozent verlangt. Das heißt: Ein Profianleger, der der Kaupthing-Bank 10.000 Euro leihen sollte, tat das nur, wenn ihm im Gegenzug eine jährliche Verzinsung von satten 1.500 Euro zugesagt wurde – so hoch schien das Risiko des Investments.
Ähnlich hohe Renditen wurden für sogenannte Credit Default Swaps (CDS) verlangt, also für Versicherungen, mit denen sich Investoren gegen eine Pleite der Bank schützen konnten. Im Vergleich dazu wirkten die 5,65 Prozent, die die Isländer deutschen Sparern für Festgeld boten, ausgesprochen mickrig, auch wenn die Bank mit dieser vermeintlichen Traumofferte die Zinsrankings im Internet deutlich anführte.
Waren die deutschen Kunden, die ihr Erspartes 2008 zu Kaupthing trugen, einfach nur naiv? Immerhin liehen sie der Bank ihr Geld zu Konditionen, die weit unter den am Markt verlangten Renditen lagen. Oder waren sie einfach nur besonders clever? Die Wahrheit liegt vermutlich, wie so häufig, in der Mitte. Fest steht: Letztlich erhielt jeder der gut 30.000 deutschen Kunden, die ihr Geld am Tag der Pleite noch bei Kaupthing liegen hatten, seine Einlagen zurück. Insgesamt ging es um 308 Millionen Euro, also etwa 10.000 Euro im Schnitt.
Was können Anleger aus dem Fall lernen? Sollten sie ihr Geld bei den „neuen Kaupthings“ anlegen – also bei ausländischen Banken mit ungewöhnlich hohen Zinsversprechen wie der bulgarischen Fibank oder der estnischen BIGBANK – oder sollten sie dies lassen? Und warum bieten diese Banken überhaupt so viel höhere Zinsen? Welches Prinzip steht dahinter, und welche Gefahren sind damit für Anleger verbunden?
Die Strategie von Banken wie damals Kaupthing und heutzutage der Fibank basiert auf dem unter Ökonomen bekannten Prinzip der „Arbitrage“. Arbitrage ist, wenn ein Händler einen Profit daraus schlägt, dass eine Ware am Handelsplatz A billiger angeboten wird als am Handelsplatz B – der Händler also eine risikolose (!) Marge erwirtschaftet, indem er die Ware preiswert einkauft und dann zu einem höheren Preis verkauft. Bei der Ware kann es sich um normale Güter wie Zitronen oder Äpfel handeln, aber eben auch um „Finanzwaren“ wie Geld oder Aktien.
Im Aktienhandel zum Beispiel sind Arbitragegeschäfte seit jeher sehr beliebt. Auch der moderne Hochfrequenzhandel funktioniert nach diesem Prinzip: Die Handelscomputer suchen gezielt nach Preisunterschieden auf verschiedenen Märkten und schlagen bereits zu, wenn eine Aktie an einer Börse nur für den Bruchteil einer Sekunde billiger notiert als an einer anderen. Sie kaufen das Papier zum Beispiel für 36,40 Euro an der Börse A und verkaufen es eine Millisekunde später für 36,50 Euro an der Börse B.
Bei Tages- und Festgeld ist die Ware, die gehandelt wird, das Geld und ihr Preis der Zins. Deutschland befindet sich momentan in einer Niedrigzinsphase, was besonders diejenigen zu spüren bekommen, die ihr Geld auf einem Sparkonto bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank liegen haben. Dort liegt die Verzinsung vielerorts nur noch bei mickrigen 0,25 Prozent (wenn es denn überhaupt noch so viel ist).
Die Zinsen sind allerdings nicht überall so niedrig wie in Deutschland. Anderswo in Europa sind sie deutlich höher, zum Beispiel in Portugal oder Bulgarien. Die Fibank in Sofia zum Beispiel zahlte in ihrem Heimatmarkt Anfang 2013 zeitweise 4,15 Prozent Zinsen auf einjähriges Festgeld. Die höheren Zinsen in manchen Ländern kommen daher, dass professionelle Anleger (ähnlich wie einst in Island) diesen Ländern weniger vertrauen als Deutschland. Wenn sich der bulgarische Staat oder die bulgarische Fibank am Kapitalmarkt Geld besorgen, dann müssen sie dafür höhere Zinsen zahlen als der deutsche Staat oder beispielsweise die Deutsche Bank. Dieses generell höhere Zinsniveau überträgt sich dann auch auf Tages- und Festgeldkonten. Für ausländische Banken stellt sich damit die Frage: „Warum sollen wir nicht auch um deutsche Sparer werben? Die sind so niedrige Zinsen gewohnt, dass sie uns ihr Geld vielleicht billiger geben, als es die Sparer in unseren Heimatländern tun.“.
Tatsächlich werben schon seit Jahren ausländische Institute wie die estnische BIGBANK oder die russische-österreichische VTB um Einlagen deutscher Sparer. Ein Anbieter, der allerdings besonders stark auf das Prinzip der Arbitrage setzt, ist der Berliner Vermittler WeltSparen, der in Deutschland Gelder zum Beispiel für die bulgarische Fibank oder die italienische Banca Sistema einsammelt.
Handelsplatz A ist in diesem Fall der deutsche Einlagenmarkt, während Handelsplatz B je nach Bank z. B. Bulgarien oder Portugal sein kann. WeltSparen erlaubt nun Kleinanlegern wie Frau Schmidt oder Herrn Müller, am Handelsplatz B ihr Geld anzulegen und von den dort höheren Zinsen zu profitieren. Dabei sind weder Fremdsprachenkenntnisse noch ein ausländischer Wohnsitz notwendig. Auch die Bank selbst benötigt hierfür keine Niederlassung in Deutschland.
Frau Schmidt und Herr Müller werden damit zu Arbitrageuren, also Marktteilnehmern, die von den Preisunterschieden (sprich Zinsunterschieden) der einheitlichen „Ware“ Euro profitieren. Und dank der einheitlichen Einlagensicherung in der EU können Anleger z. B. mit dem Angebot der Fibank über 3,3 Prozent für 3 Jahre eine ordentliche und theoretisch risikolose Rendite einfahren – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: deutsche Sparer, ausländische Banken und WeltSparen.
3,3 Prozent statt 0,25 Prozent Zinsen – und das ohne Risiko? Als Anleger sollte man bei dieser Argumentation eigentlich skeptisch werden. Denn normalerweise gilt immer und überall: Eine höhere Rendite bedeutet auch ein höheres Risiko. Die SavingGlobal GmbH (sie betreibt die Internetplattform WeltSparen.de) argumentiert jedoch anders. Sie sagt, dass die bulgarischen Banken der gleichen EU-Einlagensicherung unterliegen wie die deutschen und das Risiko, dass Anleger bei einer Schieflage der Bank ihre Einlagen verlieren, daher genauso niedrig sei wie hierzulande. In Bulgarien gelten schließlich die gleichen EU-Regeln wie in Deutschland, nach denen Einlagen bis 100.000 Euro gesetzlich geschützt sind.
Die Argumentation von WeltSparen ist nicht ganz falsch, denn die Richtlinien zum Einlagenschutz gelten in der Tat gleichermaßen in allen 28 EU-Ländern, also für alle 28 verschiedenen Bankensysteme. Und doch hat sie einen entscheidenden Haken: Es gibt – und das ist ein beliebtes Missverständnis – zwar eine europaweit einheitliche Richtlinie zur Einlagensicherung, aber keinen gemeinsamen europäischen Topf, aus dem alle Sparer entschädigt werden. Vielmehr haftet jeder nationale Einlagensicherungsfonds nur für seine eigenen Banken und deren Kunden. In letzter Konsequenz dürfte im Ernstfall zudem das jeweilige Land einspringen.
Land | S&P | Moody’s | Fitch |
---|---|---|---|
Deutschland | AAA | Aaa | AAA |
Norwegen | AAA | Aaa | AAA |
Niederlande | AA+ | Aaa | AAA |
Österreich | AA+ | Aaa | AAA |
Frankreich | AA | Aa1 | AA+ |
Estland | AA- | A1 | A+ |
Lettland | A- | Baa1 | A- |
Italien | BBB | Baa2 | BBB+ |
Bulgarien | BBB- | Baa2 | BBB- |
Portugal | BB | Ba1 | BB+ |
Damit gilt das Versprechen, wonach Sparer bis zur Einlagenhöhe von 100.000 Euro sicher sind, nicht nur für Länder wie Deutschland, Luxemburg oder Finnland, deren Bonität die Ratingagenturen mit der Bestnote „AAA“ bewerten, sondern – zumindest dem Papier nach – auch für Pleitestaaten wie Griechenland oder Zypern. Und es gilt für ein vergleichsweise armes Land wie Bulgarien, dessen Sparer zuletzt Ende der 1990er Jahre infolge eines Bankencrashs Unsummen verloren. Trägt Herr Müller daher sein Geld zur Fibank, setzt er darauf, dass die bulgarische Regierung, deren Bonität die Ratingagentur Standard & Poor’s Mitte Juni auf „BBB-“ gesenkt hat (die letzte Note vor Ramschstatus), im unwahrscheinlichen Ernstfall für eine Entschädigung sorgt.
Aufgehen kann das Arbitragegeschäft aber dennoch. Als die Fibank Ende Juni 2014 zu kippen drohte, sprang der bulgarische Staat tatsächlich mit einem milliardenschweren Notkredit ein. Die bulgarischen Steuerzahler sicherten damit auch den gut 2.000 deutschen Kunden deren Ersparnisse. Ob das Vermögen des lokalen Einlagensicherungsfonds bei einer Pleite ausgereicht hätte, ist zumindest umstritten. In diesem Fall hatte Sofia sein Haftungsversprechen für Banken und Einlagensicherung also eingelöst.
Arbitrage ist für Sparer ein verlockendes Geschäft – je nach Land aber auch ein riskantes. Anleger sollten daher abwägen, welchem Land sie am ehesten zutrauen, sein Haftungsversprechen über die gesamte Laufzeit der Anlage einlösen zu können. Ist es Deutschland? Bulgarien? Estland? Oder doch Portugal? Und dann ist da noch die Sache mit der Rendite. Ist die (zumindest gefühlt) höhere Sicherheit eines Landes mit guter Bonität den Verzicht auf die höheren Zinsen wert? Falls nein, welche Alternativen gibt es (siehe Festgeld-Vergleich)?
Häufig ist allein ein Blick auf die Ratings einer Bank und des dahinterstehenden Landes schon ein guter Indikator für das Risiko. Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Land in der EU die Unterstützung seines Einlagensicherungsfonds verweigert oder schlichtweg nicht in der Lage ist, Notkredite am Markt aufzunehmen, ist gering. Dennoch sollte ein solcher Fall nie gänzlich ausgeschlossen werden. Eine Situation wie im Juni 2014 in Bulgarien oder 2008 bei der isländischen Kaupthing kann gutgehen, muss aber nicht.
Wer sich des potentiell höheren oder auch niedrigeren Risikos bewusst ist, kann durchaus von den attraktiven Angeboten ausländischer Banken profitieren. Das Prinzip der Arbitrage ist nichts Schlechtes und sollte daher eher als Chance gesehen werden. WeltSparen ist der wohl spezialisierteste Anbieter im deutschen Markt, aber auch darüber hinaus gibt es viele ausländische Banken, die hierzulande mit hohen Zinsen um Sparer werben.
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