25.06.2015 - Kathinka Burkhardt - 2 Kommentare
Die Frau hinter der Wursttheke nennen wir „Wurstverkäuferin“, den Mann im Autohaus „Autoverkäufer“. „Finanzproduktverkäufer“ hingegen kommen in unserem Wortschatz nicht vor – stattdessen sprechen wir vom „Bankberater“. Genau genommen ist das aber ein Etikettenschwindel. Denn der Kunde erhofft sich von seiner Bank zwar Beratung, genau wie er das im Autohaus auch tut. In Wirklichkeit aber ist der sogenannte „Bankberater“ ein Verkäufer. Esgeht ihm darum, Fonds, Zertifikate und sonstige Finanzprodukte zu verkaufen. Schließlich erhält die Bank für jedes verkaufte Produkt vom Produktanbieter eine Provision (so z. B. von Fondsgesellschaften wie Deka, Union Investment oder DWS).
Per se ist dagegen gar nichts einzuwenden, denn die Banken und ihre „Berater“ wollen/müssen verständlicherweise Geld verdienen, genau wie die Autohäuser undihre „Verkäufer“. Es gibt allerdings ein Problem: Viele Bankberater stecken in einem Dilemma. Das für den Kunden beste Produkt ist nämlich nur in den seltensten Fällen auch das, das der Bank die höchste Provision einbringt. In der Praxis kommt es daher regelmäßig vor, dass sich die Bankberater weniger am Bedarf des Kunden als an der Optimierung ihrer Provisionen orientieren (müssen). Ausgabeaufschläge und sonstige Gebühren, die zum Beispiel für Investmentfonds fällig werden, fressen dann gern mal einen beträchtlichen Teil der Rendite auf.
Für Verbraucher, die sich das nicht gefallen lassen möchten, gibt es eine Alternative: die Honorarberatung. Bei diesem Modell bezahlen Sie Ihren Finanzberater direkt – genau wie Ihren Steuerberater, Architekten oder Rechtsanwalt. Der Vorteil dieses Modells liegt auf der Hand: Da der Honorarberater keine Provisionen kassiert und sein Einkommen somit nicht davon abhängt, ob er Ihnen etwas verkauft oder nicht, gibt es zunächst einmal auch keinen Interessenkonflikt. Ein Honorarberater kann sich daher bei der Auswahl der passenden Finanzlösungen viel freier an Ihren Wünschen und Bedürfnissen orientieren und bei Bedarf auch komplett vom Abschluss irgendwelcher Produkte abraten. Dieser Service hat allerdings seinen Preis. Ein guter Honorarberater kostet zwischen 120 und 180 Euro pro Stunde – und mit einer Stunde ist es selten getan.
Daneben gibt es weitere Herausforderungen: Ein unabhängiger Berater ist noch nicht automatisch ein guter. Doch wie finden Sie den richtigen? Und: Wie stellen Sie sicher, dass der Honorarberater nicht heimlich doch eine Provision einstreicht? Im Folgenden wollen wir Ihnen helfen, zu klären, wann sich eine Honorarberatung für Sie lohnt, wie Sie den passenden Berater ausfindig machen und was es sonst noch zu beachten gilt.
Für ein umfassende Finanzberatung, die ja nicht nur aus dem Gespräch an sich besteht, sollten Sie als Gesamtaufwand zumindest einen halben bis ganzen Tag kalkulieren. Damit kann sich die Rechnung bei den marktüblichen Stundensätzen also durchaus auf 500 bis 1.000 Euro belaufen. Wenn Sie nicht nur wollen, dass der Berater einmalig Ihre Finanzen „ordnet“, sondern Sie dauerhaft mit seiner Expertise begleitet (z. B. im jährlichen oder halbjährlichen Turnus, oder wenn besondere Ereignisse es verlangen), dann kommen weitere Kosten auf Sie zu, auch wenn der Aufwand einer Folgeberatung geringer ausfällt als bei der Erstberatung.
Ein guter Honorarberater ist also nicht billig und mutet auf den ersten Blick sogar richtig teuer an. Aber ist er das, verglichen mit der Provisionsberatung, wirklich? Peter Hieber von der Finanzplanung Hieber macht folgende Rechnung auf: „Wenn Sie bei einer Bank 50.000 Euro in Aktienfonds investieren, dann sind bei einem (durchaus üblichen) Ausgabeaufschlag von fünf Prozent schon 2.500 Euro weg. Davon kann ich selbst bei einem Stundensatz von 250 Euro einen Mandanten zehn Stunden lang beraten“. Und die jährlichen Bestandsprovisionen bei aktiv gemanagten Fonds von 0,2 bis 0,875 Prozent seien in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt.
Die Kosten beim Abschluss einer Kapitallebensversicherung oder sonstiger Versicherungsprodukte für die Altersvorsorge sind ähnlich hoch – oder sogar noch höher. Der Verbraucherdienst Finanztip hat das jüngst am Beispiel einer fondsgebundenen Rentenversicherung aufgeschlüsselt. Solche Produkte bieten einige Anbieter mittlerweile mit und ohne Provision („Nettotarif“) an, sodass der Unterschied deutlich sichtbar ist. Bei einem monatlichen Beitrag von 150 Euro und einer Laufzeit von 37 Jahren ergeben sich über die ersten fünf Jahre Abschlusskosten von 2.664 Euro. Über die gesamte Laufzeit betrug der finanzielle Vorteil des Nettotarifs sogar fast 28.000 Euro und damit rund zehn Prozent der Ausschüttungssumme.
Bei diesem gewaltigen Unterschied spielt freilich der Zinseszinseffekt die entscheidende Rolle. Bei der Honorarberatung sollten Sie diesen fairerweise auch mit einkalkulieren. Denn wenn Sie z. B. 1.500 Euro für Ihre Beratung zahlen, dann können Sie dieses Geld nicht gleichzeitig anlegen und sich vermehren lassen. Bei der von Finanztip angenommen Rendite von sechs Prozent würden aus den 1.500 Euro über 37 Jahre rund 13.000 Euro, die Ihnen durch die Beratung fehlen.
Trotzdem: Die Beispielrechnungen zeigen, dass Sie sich mit der Honorarberatung im Vergleich zur provisionsbasierten Beratung in vielen Fällen deutlich besser stellen können. Ab welcher Anlagesumme sich eine Honorarberatung auszahlt, lässt sich exakt schwer beziffern. Die Einschätzungen von Experten gehen hier relativ weit auseinander. Als Faustregel gilt aber: Bei Einmalbeträgen unter 10.000 Euro dürfte die Honorarberatung in der Regel zu teuer sein. Interessant wird das Ganze erst ab Summen von 20.000 bis 30.000 Euro.
Ohnehin geht es bei der Finanzplanung aber weniger um Einmalbeträge, sondern darum, „einen Fahrplan für den Vermögensaufbau“ aufzustellen, wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt. Selbst wenn Sie für die private Altersvorsorge „nur“ 150 bis 200 Euro monatlich beiseitelegen, geht es bei einem Zeithorizont von 30 bis 40 Jahren im Endergebnis um stattliche sechsstellige Beträge. In Relation dazu sind 1.000 Euro für einen fähigen Honorarberater gut investiertes Geld.
Seit dem 1. August ist in Deutschland das „Honoraranlageberatergesetz“ in Kraft. Erstmals sind damit der „Honorar-Finanzanlagenberater“ (er hilft Ihnen, den passenden Fonds zu finden) und der „Honorar-Anlageberater“ (er darf daneben auch zu Aktien, Anleihen und Zertifikaten“ raten) gesetzlich geschützte Berufe, die eine entsprechende Qualifikation voraussetzen. Firmiert ein möglicher Kandidat unter einem der beiden gesetzlich geschützten Begriffe, so ist das zumindest ein positives Signal.
Einfach wäre die Sache nun, wenn jeder Honorarberater, der eine der beiden Berufsbezeichnungen trägt, tatsächlich auch empfehlenswert wäre. Das sei aber nicht der Fall, sagen Experten wie der Verbraucherschützer Niels Nauhauser. Er moniert, dass die gesetzlichen Qualifikationsanforderungen „viel zu niedrig“ und im Grunde sogar „dieselben wie in der Provisionsberatung“ seien. Man müsse darum trotz des neuen Gesetzes damit rechnen, „unqualifizierten Bewerbern aufzusitzen“. Was also tun? Es gibt keine „goldene Regel“, wie man den perfekten Berater findet. Dennoch haben wir einen Kriterienkatalog entwickelt, der Ihnen dabei helfen kann, gute von schlechten Honorarberatern zu unterscheiden. Was macht also einen guten Kandidaten aus?
„Honorar-Finanzanlagenberater“ darf sich jeder nennen, der eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht oder längere Zeit in einer Bank gearbeitet hat. Wer nicht mal das vorweisen kann, darf bei der IHK eine „Sachkundeprüfung“ ablegen, die – so sagen Kritiker – vom Anspruch her „mit einer Führerscheinprüfung vergleichbar“ sei. Achten Sie darum darauf, dass Ihr Berater darüber hinausgehende Qualifikationen mitbringt – fragen Sie ihn ruhig danach. „Einen Fachwirt-Abschluss oder einen Hochschulabschluss im Bereich Banken/Versicherungen sollte ein Honorarberater schon vorweisen können“, sagt sagt Karl Alexander Marx, Honorarberater in Köln von der GAFIB Honorarberatung.
Darüber hinaus gibt es weitergehende Qualifikationen. Hervorragende Experten beim Thema Finanzanalyse erkennt man zum Beispiel daran, dass diese den Titel CFP (Certified Financial Planner) tragen. In Deutschland sind Schätzungen zufolge nur etwa 300 CFPs in der klassischen Finanzberatung tätig. Generell gilt: Um einen Kunden umfassend beraten zu können, müsse ein Honorarberater in jedem Fall über „ein gewisses volkswirtschaftliches und betriebswirtschaftliches Wissen“ verfügen, sagt Gordon Isler von der Finanzberatung fairvendo.
Neben den formalen Qualifikationen sollten Sie auch auf die Berufserfahrung und Referenzen achten. Wie lange arbeitet der Kandidat schon als Honorarberater? War er zuvor auch schon in der Finanzwirtschaft tätig? Finden sich namhafte und seriöse Adressen in seinem Lebenslauf? Und: Welche Kunden hat der Berater? Verfügt er über entsprechende Referenzen, die die Zufriedenheit anderer Mandanten glaubwürdig dokumentieren? Bei einem guten Honorarberater müssten sich die meisten Angaben mit einer Internetrecherche gegenchecken lassen. Ein Glücksfall ist es natürlich, wenn ein Freund, Verwandter oder Bekannter, dessen Einschätzungen man vertraut, bereits einen Honorarberater hat und diesen weiterempfiehlt.
Ein guter Honorarberater sollte in der Lage sein, Ihnen eine breite Beratung anbieten zu können. „Wenn der Anleger nur eine spezielle Fragestellung hat, reicht zwar ein Spezialist“, sagt Peter Hieber. „Meistens hat der Anleger jedoch so viele ‚Baustellen‘, dass ein Spezialist nicht ausreicht, sondern eine umfassende Finanzberatung sinnvoll ist.“ Natürlich reicht es nicht, wenn der Berater nur behauptet, sich in verschiedenen Feldern wie Fonds oder Versicherungen auszukennen. Er sollte das auch durch entsprechende Qualifikationen und Referenzen untermauern können.
Ein eher weiches, aber trotzdem wichtiges Kriterium ist der persönliche Eindruck. „Manchmal muss man sich auf den gesunden Menschenverstand verlassen“, sagt Stefan Schießer von der Frankfurter Honorarberatung. „Das Erstgespräch mit dem Berater sollte auch dazu dienen, ein Gefühl für dessen persönliche Integrität zu entwickeln.“
Wie viele Honorarberater es in Deutschland genau gibt, ist unklar, denn ein umfassendes Verzeichnis existiert bis heute nicht. Trotzdem gibt es einige gute Informationsadressen und Anlaufstellen, die wir im Folgenden für Sie zusammengefasst haben.
Wenn Sie unsere Tipps und Hinweise beachten, dann steht einer erfolgreichen Beratung auf Honorarbasis eigentlich nichts im Wege. Natürlich kann am Ende niemand kontrollieren, was Ihr Berater Ihnen im persönlichen Gespräch alles vorschlägt und tatsächlich ist das Thema Geldanlage bis zu einem gewissen Grad auch keine exakte Wissenschaft, sondern eine Mischung aus Handwerk, Erfahrung und Bauchgefühl für zukünftige Entwicklungen. Ein Restrisiko von Falschberatung besteht auch bei der Honorarberatung - das muss man ganz ehrlich so sagen. Die Entlohnung auf Honorarbasis bietet Verbrauchern aber aus unserer Sicht deutliche Vorteile gegenüber der klassischen (scheinbar kostenlosen) provisionsbasierten Beratung.
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Der Artikel gibt einen sehr guten Überblick und ist nützlich zur Orientierung. Auch die konkreten Beispiele sind überzeugend.
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