01.06.2021 - Thomas Beutler - 21 Kommentare
Immer mal wieder wird über sie berichtet: die Inflation. Begleitet uns die nicht schon lange? Hatten wir vor einiger Zeit nicht sogar Angst vor dem Gegenteil, der Deflation? Warum sollte ich mir ausgerechnet jetzt darüber Gedanken machen? Es gibt aus meiner Sicht gute Gründe und diese möchte ich im Folgenden mit Ihnen teilen.
Ich bin kein großer Frühstücker und starte oft den Tag mit einem kleinen Einback zum Kaffee. Seit vielen Jahren schon kostet der einen runden Euro. Doch kürzlich stellte ich fest: der Preis liegt jetzt 1,05 €. Kein Problem, oder? Was sind schon fünf cent? Doch nüchtern betrachtet ist mein Euro-Gegenwert in Einback gerechnet um 5% gefallen. Mein Euro ist weniger wert geworden. Wenn es sich nur auf diesen Einback beziehen würde, dann wäre es kein Problem, doch derzeit sehen wir Preisdruck an vielen Stellen unseres täglichen Lebens. Die Inflation kommt nach und nach in unserem täglichen Leben an. Dieser oft schleichende Prozess macht die Sache so tückisch.
Schauen wir ins Handwerk sehen wir besonders starke Preisanstiege. Hier kann man von massiven Lieferengpässen und damit einhergehend steigenden Preisen berichten. Am Ende zahlt es der Kunde, denn die Rechnung vom Handwerker steigt. Hinzu kommt: So manch einer nutzt die Gunst der Stunde und schlägt seinen eigenen Inflationsausgleich auf den Stundenlohn gleich mit drauf. Wo aber liegen die tieferen Ursachen für diese Entwicklung?
Schauen wir mal noch konkreter auf den Baustoff Holz. Dort erleben wird derzeit Lieferengpässe und enorm gestiegene Nachfragen. Der Holzpreis ist nicht nur ein wenig gestiegen, sondern steht auf einem historischen Hoch. Die Nachfrage ist so hoch und das Angebot ist im wahrsten Sinne des Wortes natürlich knapp. Ein Baum lässt sich nicht bestechen. Der wächst in seinem eigenem Tempo. Hinzu kommt auch hier der Corona-Effekt, denn zahlreiche Sägewerke hatten ihre Produktion in der Phase großer Unsicherheit zurück gefahren.
Das aktuelle Preisniveau von Holz ist dadurch auf ein historisches Hoch seit Jahrzehnten gestiegen (siehe Chart). Holz ein gutes Beispiel für einen typischen Inflationstreiber. Holz gehört in die Gruppe Vorleistungsgüter, die insgesamt gestiegen sind. In diesen Bereich fallen auch Metalle, chemische Grundstoffe, Kunststoffwaren, Papier, sowie elektronische Bauelemente. Im Schnitt sind hier die Preise um 5,7% (Quelle: Statistisches Bundesamt) gestiegen. Noch viel stärker sind die Energiekosten gestiegen.
Holz ist also knapp und begehrt. Holz kann nicht per Knopfdruck von heute auf morgen hochskaliert werden. Diese Inflationseffekt wird alle begehrten Werte treffen, die nicht in beliebiger Menge vermehrbar sind. Unser Geld hingegen ist nicht knapp und kann in beliebiger Menge per Knopfdruck vermehrt werden.
Die weltweite Geldmenge befindet sich in einem historischen Umfeld. Warum beim Thema Inflation diesmal alles anders sein könnte, beziehe ich auf die folgenden drei “Zutaten” zurück, aus denen ein gefährliches Inflations-Süppchen entsteht.
Zutat 1: Die Geldmenge in der Welt ist schon lange völlig losgelöst von unserer realen Welt und steigt weiterhin an. Sie können die Welt mehrfach damit kaufen. Die Dimensionen der Geldmenge sind für unser Vorstellungsvermögen nicht mehr zu fassen, daher denken wir selten oder gar nicht darüber nach. Durch Kreditvergabe der Banken kann diese Geldmenge noch sprunghaft exorbitant ansteigen. Eine Art Durchlauferhitzer entsteht. Zudem werden die geldpolitischen Maßnahmen immer expansiver. In den USA wird sogar “Helikoptergeld” verteilt, die Zentralbanken verteilen es also direkt an die Bürger. Zunehmend wird diese Geldmenge auch “nachfragewirksam” und trifft in einigen Bereich auf ein immer knapperes Angebot (siehe Holz).
Zutat 2: Die Zinsen sind im historischen Keller. Noch nie zuvor gab es ein solches Niedrigzinsumfeld. Die bislang moderaten Inflationsraten kann man schon seit Jahren nicht mehr durch den “risikolosen” Zins ausgleichen. Langfristig ein Unding für Sparer. Die entscheidende “Realrendite” (risikoloser Zins abzgl. Inflationsrate) ist demnach seit Jahren negativ. Daran wird sich auch nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Die Zentralbanken entdecken gerade den Negativzins als sehr wertvolles, zentralbankpolitisches Instrument. Er ist da und er wird bleiben.
Zutat 3: Diese dritte Zutat hat nun eine besondere Wirkung und bringt das Gebräu nun endgültig gefährlich zum blubbern. Das Vertrauen und die Zuversicht ins Geld bröckelt. Beim Privatanleger kommt nun zunehmend dieser Negativzins bzw. das Verwahrentgelt oder auch Strafzins an. Psychologisch wirkt dies wesentlich stärker, als die seit Jahren vorherrschende negative Realrendite. Das Geld auf dem Konto wird nun sichtbar weniger. Schon alleine die Angst vor diesem Negativzins bringt das Geld in Bewegung. Es sucht nun oft panisch neue sichere Häfen. Viel Geld auf dem Konto wird plötzlich zu einer Belastung, ja sogar zur gefühlten Bedrohung. Geld auf dem Konto fühlt sich nun irgendwie anders an. Vertrauen geht verloren. Aber Vertrauen ist alles, was unser Geld hat. Ohne Vertrauen ist unser Geld nichts wert.
Alles werthaltige und knappe wird wertvoller. Um sich hier für die Zukunft zu rüsten gilt die altbewährte Devise der Streuung. Investieren Sie in Qualität und achten Sie auf eine ausgewogenen Verteilung. Verlassen Sie sich keinesfalls auf steigende Zinsen, um die kommende Inflationsentwicklung in den Griff zu bekommen. Wenn eine große Menge Geld in Bewegung kommt, dann kann dies lawinenartige Effekte auslösen. Das schlimmste wäre eine Fluchtbewegung in Sachwerte, denn dies würde Marktpreise stark verzerren.
Spannend wird auch die Zeit nach Corona. Viel Geld hat sich angehäuft und die Menschen haben eine große Sehnsucht vieles nachzuholen. Wo und wie wird sich das auswirken? Natürlich zunächst auf den Preis!
Trotz allem: Bleiben Sie kühl und besonnen. Angst und Gier sind in der Finanzwelt gern genutzte Trigger für den Verkauf überteuerter Produkte, sowie zahlreicher Crash-Bücher. Fallen Sie auf diesen alten Trick nicht herein. Treffen Sie nüchtern und bewusst Ihre Entscheidungen. Investieren Sie langfristig, breit gestreut und kostengünstig. Treffen Sie bewusste Entscheidungen. In einer Schockstarre zu verharren ist die schlechteste aller Lösungen. Erkennen Sie im Nebel die Konturen der Zukunft und richten Sie ihr Depot und ihre Vermögenswerte demnach aus.
Tipp Nr. 1: In seinem Newsletter teilt Thomas Beutler regelmäßig seine Gedanken und Überlegungen zum Thema Geld, Vermögen, Investitionen und natürlich Inflation. Wollen Sie dabei sein?
Tipp Nr. 2: Am 20.06.2021 um 20 Uhr diskutieren Thomas Beutler und Stefan Erlich (Redaktionsleiter von Kritische-Anleger.de) live auf YouTube über die aktuelle Situation von Anlegern. Schauen Sie doch mal rein und stellen Sie vielleicht auch eine ganz persönliche Frage zu Ihrer Situation3!
Haben Sie Fragen zu diesem Artikel? Was finden Sie besonders gut, was vielleicht eher schlecht? Was sollten wir besser machen? Schreiben Sie uns an dieser Stelle gern Ihre Meinung. Wir freuen uns stets über Ihr Feedback.
Was bitte ist ein „Einback“, das früher 1€ und jetzt 1,05€ kostet?? Erwarte Ihre Antwort.Beste Grüße,E.Krüger
Wusste mit dem Begriff auch nichts anzufangen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Einback
Den Einback stelle ich mir vor als den kleinen Bruder vom Zwieback, denn zwie leitet sich von zwei ab...
Was ist ein „Einback“? Zitat:“....starte oft den Tag mit einem kleinen Einback zum Kaffee...“
Der Verfasser postuliert mit vollem Recht: Ohne Vertrauen ist unser Geld nichts wert. Wer's nicht glaubt, hier die Bestätigung. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es eine 5 DM Münze, volkstümlich Heiermann genannt. Diese bestand im wesentlichen aus Silber. Als der Silberpreis plötzlich den Kaufwert der Münze überstieg, verschwand diese "über Nacht" vom Markt. Das Vertrauen in die Münze war verschwunden. Sie wurde gesammelt, eingeschmolzen und der so gewonnene Silberbarren zu einem höheren Preis als 5 DM/Gewichtseinheit auf dem Markt verkauft. Sie ward nie mehr gesehen!
Übrigens, der LZB war's recht. Die Herstellungskosten waren enorm. Gleiches Schicksal könnte eines Tages auch unseren kleinen €-Münzen blühen!?
Dass derverstärkte Preisanstieg allgemein festzustellen ist, dass merkt jeder der konsumiert.
Ich vermisseHinweise, welche Möglichkeiten für einen älteren Menschen bestehen,
dersein Mühsam erarbeitetes Geld rettenmöchte
Ich kann gut verstehen, dass Ihnen konkrete Hinweise fehlen. Eine allgemein-gültige Lösung gibt es leider nicht. Natürlich spielt auch ihr Lebensalter eine Rolle. Ein Anlagehorizont ist generell wichtig, trotzdem ist es dann nur eine Frage der Aufteilung. Im Bereich der Sachwerte (Aktien, Immobilien, Gold, ...) gibt es unterschiedliche Schwankungsbreiten. Wenn Sie in den nächsten Jahren Ihr Vermögen jedoch real erhalten wollen, führt kein Weg an schwankenden Anlagen vorbei. Die Frage, die zu klären wäre: Wie stark darf das Depot schwanken? Was halten Sie aus?
Ich konnte nichts neues hier erfahren. Breit streuen habe ich mit MSCI ACW. Frag sich jetzt nur, ob und wann davon mehr zu kaufen bzw. verkaufen.
Tut mir leid, dass nichts neues für Sie dabei war. Mit dem ACWI machen Sie schon mal definitiv nicht viel verkehrt. Verabschieden Sie sich aber von der Vorstellung, dass Ihnen irgendjemand sagen könnte, wann der richtige Zeitpunkt zum nachkaufen ist. Jeder, der dies tut, ist nicht seriös. Vielleicht könnte Ihnen das „regelbasierte Investieren“ helfen (RBI). Das bietet sich bei solche breiten Indezes durchaus an. Sie kaufen niemals „Schrott“ nach, sondern immer nur Qualität.
Der Markt für Waren wird sich sehr unterschiedlich entwickeln. Nicht einfach vermehrbare Rohstoffe werden im Preis ins uferlose steigen. Erzeugbare Waren werden sich teilen in knapp und hochpreisig und einfach Massen und billig. Kann man jetzt schon beobachten bei KFZ, Lebensmittel, Kleidung.Keine einfach billige Angebote bei gewissen Rohstoffen und Wohnungen. Dadurch wird sich Kapital vermehrt vom Mittelstand zu Reichen bewegen. Die Armen werden mehr.
Schön. Aber was ist KONKRET die Anlagestrategie ? Das ist mir alles zu allgemein.
Hallo! Ich verstehe natürlich Ihren Einwand. Leider gibt es eben nicht das allgemein gültige Rezept. Eine allgemeingültig Lösung ist allerdings wenig seriös. Seien Sie doch gerne live auf YouTube (Link siehe unten) dabei und schildern Sie dort Ihre Situation. Vielleicht können wir Ihnen dann etwas genauere Lösungsansätze geben.
... die Wertentwicklungen der Vergangenheit sind nicht in die Zukunft zu projizieren ... Dann hilft nur noch eine Währungsreform ...
Hallo, ich lese mit großem Interesse den Finanztipp und ebenso diesen Artikel. Die Bauzinsen steigen im Moment, ist es ratsam, sich schon jetzt für einen Forward Baukredit zu interessieren, bei dem die Zinsbindung 11.2023 endet? Kostet das Vorhalten von über 2 Jahren Gebühren?Vielen Dank,Gruß Almut
Guten Tag...danke fürs positive Feedback. Über ein Forward Darlehen nachzudenken ist durchaus empfehlenswert. Lassen Sie sich von Ihrer finanzierenden Bank, aber auch von weiteren Banken ein Angebot rechnen. Es gibt allerdings für jeden Monat Vorlaufzeit einen minimalen Aufschlag auf den Finanzierungszins. Ob es sich lohnt, wissen wir erst im Nachhinein. Hilft das?
Ihr Beitrag ist sehr informativ und trifft den Nagel auf den Kopf.Mich würde interessieren, wie Sie die Angebote von Engel & Völkers einschätzen. Denn die versprechen Renditen vonüber 6 % sofort ab Geldeingang für einen überschaubaren Zeitraum
Vielen Dank für das positive Feedback. Welches Angebot meinen Sie denn konkret?
Hallo,meine Devise als erstes ist, in der Ruhe liegt die Kraft. Ein langer Atem tut auch gut.Ich freue mich, wenn ich sehe, dass Sie wieder in meinem Postfach sind.Alles GuteHannelore Stössinger
Bewegen wir uns da nicht eher noch in die Richtung einer Stagflation?
Danke für Ihren Kommentar. Von einer Stagflation sind wir sicherlich noch weit entfernt. Weltweit gibt es noch einiges an Wachstumspotenzial. Schauen Sie nur mal in einige Schwellenländer. Die Herausforderung wird sein, hier ökologisch nachhaltig zu wachsen.
Ihre Beiträge sind sehr interessant.
Es gibt ja auch Menschen,
Die sparen müssen, z.b. Rentner.
Nicht nur Betroffene, die zu viel haben.
Sparpotential? Wo?
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