01.03.2018 - Stefan Erlich - 3 Kommentare
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Ein Leser unseres Newsletters kontaktierte mich kürzlich mit der Frage, inwiefern sich Anleihen als Alternative zum Festgeld anbieten würden, schließlich könne man damit zum Teil deutlich höhere Renditen erzielen. Zudem bezahle man beim Festgeld den Wasserkopf der Banken mit, die letztlich mit dem Geld nichts anderes tun, als es weiter zu verleihen. Ich muss zugeben, dass ich über die Frage erst ein wenig nachdenken musste. Mir schwirrt schon länger der Gedanke im Kopf herum, dass die (häufig gezwungenermaßen) aufgeblasenen Bürokratieapparate der Banken an unserer ohnehin schon geringen Festgeldrendite nagen und auch die gesetzliche Einlagensicherung will mit ihren Zwangsbeiträgen gefüttert werden. Ließe sich das nicht vielleicht mit Anleihen umgehen? Ein charmanter Gedanke! Doch lässt sich das Ganze in der Praxis auch wie erhofft umsetzen?
Lassen Sie mich mit den Grundlagen beginnen, denn vielen Privatanlegern dürften Anleihen eher fremd sein. Vereinfacht gesprochen handelt es sich bei einer Anleihe um einen Kredit, den Sie einem Unternehmen oder einem Staat gewähren. Dieser Kredit hat zumeist eine fixe Laufzeit und wird in aller Regel mit einem fixen Satz verzinst. Soweit sind sich Anleihen und Festgelder sehr ähnlich. Ein großer Unterschied besteht jedoch in der Handelbarkeit. Während Sie bei Festgeld meist nur in Ausnahmefällen während der Laufzeit an Ihr Geld kommen, lassen sich Anleihen am Finanzmarkt jederzeit frei handeln. Wollen Sie vor dem Laufzeitende an Ihr Geld, verkaufen Sie die Anleihe an einen anderen Anleger. Je nachdem, ob der Kreditnehmer seit dem Anlagestart an Bonität gewonnen oder verloren hat, wird Ihnen der neue Anleger entweder mehr oder weniger Geld dafür überweisen als Sie ursprünglich investiert haben.
Ein simples Beispiel: Der deutsche Autobauer Volkswagen hat über eine Tochtergesellschaft im März 2017 einen Kredit in Höhe von 2,5 Mrd. € in Form von Anleihen aufgenommen. Dieser hat eine Laufzeit von 10 Jahren und wird mit 1,875 % verzinst. Hätten Sie damals 100 € in die Anleihe investiert, dann könnten Sie diese aktuell für etwa 101,40 € bis 101,50 € verkaufen (Stand: 23.02.2018). Neben den fixen Zinsen in Höhe von 1,875 % hätten Sie damit sogar noch eine zusätzliche Rendite in Höhe von 1,40 € bis 1,50 € über die knapp 12 Monate erwirtschaftet. Zum Vergleich: Ende März 2017 zahlte die Volkswagen Bank für 10-jähriges Festgeld nur 1 %. Da erscheint die Anleihe allein schon aufgrund der fixen Verzinsung als die deutlich bessere Alternative, zumal Sie hier jederzeit aussteigen könnten während das Festgeld de facto unkündbar ist. Leider ist diese Betrachtung zu einfach, denn in der Praxis liegen einige Stolpersteine vor Ihnen. Dazu im Laufe des Artikels mehr.
Neben dieser simplen Version einer Anleihe gibt es noch eine ganze Reihe von Spezialformen, so z. B. die inflationsindexierten Anleihen, bei denen die Verzinsung an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex gekoppelt ist oder auch die Wandelanleihen, bei denen der Kreditnehmer die Möglichkeit hat, Ihnen Aktien seines Unternehmens zu geben anstatt den Kredit zurückzuzahlen. Zudem kann der sogenannte Rang des Kredites unterschiedlich gestaltet sein, wodurch sich im Falle einer Insolvenz die Wahrscheinlichkeit einer Entschädigung aus der Insolvenzmasse erhöht oder verringert. Es gibt bezüglich der Ausgestaltung von Anleihen fast keine Grenzen. Dies gilt auch für den Typ des Kreditnehmers. Von kleinen Firmen bis hin zu großen Aktiengesellschaften oder auch Staaten, Ländern und Städten findet sich hier fast alles am Markt. Entsprechend unterschiedlich sind aber auch die Bonitäten und erzielbaren Renditen.
Um Anleihen zu finden, bieten sich die gängigen Finanzportale (z. B. onvista) oder auch die Börse Stuttgart oder Frankfurt an. Über die Suchparameter lassen sich u. a. die gewünschte Laufzeit/Fälligkeit, die Art der Anleihe und die gewünschte Währung spezifizieren. Letzteres ist ein wichtiges Kriterium, da sich bei Fremdwährungsanleihen allein aufgrund der Wechselkursschwankungen sowohl deutlich höhere Renditen als auch massive Verluste ergeben können. Der auf dem Papier gezahlte Zinssatz kann schnell irrelevant werden, wenn beispielsweise bei einer US-Dollar-Anleihe plötzlich der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliert. Fremdwährungsanleihen haben daher trotz des fixen Zinssatzes kaum noch etwas mit einer festverzinslichen Anlage zu tun. Konservative Anleger sollten sich daher auf Anleihen konzentrieren, die in Euro notieren.
Wenn Sie mit den Anleihen-Findern ein wenig herumspielen, wird Ihnen schnell auffallen, dass es bei Anleihen zwei Angaben gibt: zum einen den Zinssatz (oftmals Kupon genannt) und zum anderen die Rendite. Bei ersterem handelt es sich um den Zinssatz, den der Kreditnehmer zahlt - ähnlich wie beim Festgeld. Die tatsächliche Rendite kann davon aber erheblich abweichen! Warum? Weil Anleihen, anders als Festgeld, frei handelbar sind und damit einen aktuellen Preis (Kurs) besitzen. Liegt dieser über dem Startkurs, müssen Sie für den Kauf der Anleihe einen höheren Preis zahlen (siehe mein Beispiel mit der Volkswagen-Anleihe oben). Der Zinssatz verändert sich aber nicht, sodass sich die tatsächliche Rendite aus dem Zinsertrag abzüglich der Mehrkosten (oder Minderkosten) ergibt. Meist wird der Kurs einer Anleihe in % angegeben. Ein Kurs von 102 % bedeutet dabei, dass Sie mehr für die Anleihe bezahlen müssen, was die Rendite schmälert. Ein Kurs von 95 % erhöht dagegen Ihre Rendite.
Einen schönen Rechner zur Berechnung der effektiven Rendite finden Sie bei Zinsen-Berechnen.com. Probieren Sie ruhig einmal mit verschiedenen Werten aus, welche Rendite sich mit welchem Zinssatz und Kurs erzielen lässt. Beachten Sie in dem Zusammenhang auch, dass die Kursangaben bei den großen Finanzportalen immer nur eine Indikation sind und auf Vergangenheitsdaten beruhen. Wenn Sie tatsächlich eine Anleihe über Ihren Depotanbieter kaufen, wird der Kurs mit hoher Wahrscheinlichkeit davon abweichen, weil sich dieser immer aus dem aktuellen Angebot und der vorhandenen Anleihen-Nachfrage ergibt. Die Abweichungen können vor allem dann extrem sein, wenn die Anleihe nur selten gehandelt wird. Dies ist insbesondere bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen der Fall. Gehen Sie daher davon aus, dass die tatsächlich erzielbare Rendite erst nach dem erfolgreichen Kauf über Ihr Depot feststeht.
Leider gibt es für Anleger neben der Währung und der effektiven Rendite noch weitere Stolpersteine. Da ist zum einen die Stückelung, die angibt, wie viel Geld Sie für jede Einheit einer Anleihe investieren müssen. Während z. B. für die Anleihe der 1&1 Drillisch AG satte 100.000 € pro Stück investiert werden müssen, gibt sich der deutsche Staat für seine bis 2048 laufende Anleihe mit 0,01 € pro Stück zufrieden. Für die 8-jährige Anleihe der BASF werden 1.000 € pro Anleihe fällig. Um nun z. B. 100.000 € zu investieren, müsste man bei 1&1 entsprechend nur eine Anleihe kaufen während es bei BASF insgesamt 100 Stück und beim deutschen Staat 10 Mio. wären. Für Anleger mit geringem Vermögen bedeutet dies, dass für sie die Auswahl an Anleihen eingeschränkt ist, weil die Stückelungen oftmals sehr hoch angesetzt sind.
Haben Sie als Kleinanleger eine passende Anleihe mit kleiner Stückelung gefunden (z. B. deutsche Staatsanleihen), dann sollten Sie noch die Ordergebühren Ihres Depotanbieters beachten. Ein Beispiel: Mitte 2015 habe ich 20 Stück einer Anleihe des amerikanischen Brauerei-Konzerns Anheuser-Busch im Wert von etwa 20.000 € gekauft. Hierfür stellte mir die Consorsbank insgesamt 67,22 € Gebühren in Rechnung, was etwa 0,3 % meines Anlagebetrages entspricht. Das klingt auf den ersten Blick wenig, vor allem, weil die Ordergebühren nur einmalig beim Kauf anfallen, die Anleihe aber jedes Jahr erneut Zinsen abwirft. Doch gerade bei Anleihen mit ohnehin niedrigen Renditen (z. B. deutschen Staatsanleihen) können die Ordergebühren in Kombination mit geringen Anlagebeträgen schnell zu negativen Renditen führen.
Man könnte an dieser Stelle der Vorstellung erliegen, man müsse nur die richtige Anleihe in Euro-Währung eines besonders bonitätsstarken Unternehmens oder Staates suchen und ausreichend Geld investieren, damit die Orderkosten nicht ins Gewicht fallen, um eine ordentliche Rendite zu erzielen. Leider ist die Realität nicht so einfach. Aufgrund des generell niedrigen Zinsniveaus notieren die Kurse vieler Anleihen von Unternehmen und Staaten mit guter Bonität so hoch, dass sich nach Abzug der Mehrkosten für den Kauf häufig gar keine positive Rendite mehr erzielen lässt. In 2016 ließ sich z. B. selbst mit einer 15 Jahre laufenden Anleihe des deutschen Staates zeitweise keine positive Rendite mehr erzielen. Aktuell hat sich die Situation wieder etwas entspannt, aber noch immer liefern viele Anleihen mit Festgeld-typischen Laufzeiten von 1-5 Jahren keine positiven Renditen. Und ob sich dies in den kommenden Jahren ändern wird, weiß leider niemand.
Möchte man mit Anleihen noch positive Renditen erwirtschaften, kommt man um Unternehmen und Staaten mit geringer Bonität nicht herum. Dieser als “High Yield” bezeichnete Marktbereich weist dementsprechend auch ein höheres Ausfallrisiko auf. Da Anleihen durch keine Einlagensicherung geschützt sind, könnte eine Insolvenz den Totalverlust bedeuten. Dem kann man durch Diversifikation über möglichst viele Anleihen und Kreditnehmer begegnen, allerdings kostet dies viel Zeit und Verwaltungsaufwand, wenn man es selber macht, oder es wird bares Geld in Form von Fondsgebühren fällig, wenn man diese Aufgabe den Profis überlässt. Im High-Yield-Bereich lassen sich diese Fondsgebühren vielleicht noch rechtfertigen, weil die erzielbaren Renditen noch relativ hoch sind. Bei Anleihen mit höherer Bonität dagegen übersteigen die Gebühren zum Teil die Rendite, sodass sich ein Investment in sichere Anleihen-Fonds kaum rechtfertigen lässt.
So charmant die Idee von Anleihen als Alternative zum Festgeld auf den ersten Blick auch sein mag, so unrealistisch ist sie für den Großteil der eher konservativen Privatanleger. Dies liegt an den vielen kleinen Stolpersteinen und letztlich vor allem an den derzeit so niedrigen Renditen für Anleihen mit gutem Rating. Manche Finanzexperten bezeichnen die aktuelle Situation an den Anleihenmärkten auch als die “größte Blase aller Zeiten”, weil sich so viele Investoren entgegen der menschlichen Intuition mit negativen Renditen zufrieden geben. Dieses Spiel sollten Sie nicht mitspielen, es sei denn, Sie wissen, was Sie tun und können aufgrund Ihrer komfortablen Vermögenssituation z. B. mit Fremdwährungen umgehen oder sich im High-Yield-Segment engagieren. Dann sind natürlich auch die Verlustrisiken höher, aber nur so haben Sie überhaupt die Chance auf gute Renditen.
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Da hat sich eigentlich nicht viel geändert. Klar, das Zinsniveau ist mittlerweile wieder etwas höher, aber die Stolpersteine sind bis heute die gleichen. Zu Ihrer zweiten Frage: Leider nein! :-(
Dieser Beitrag ist sehr gut und verständlich geschrieben.Man sollte sich das gut überlegen, ob diese Anlageform für Kleinanleger geeignet ist.Mfg..
Wie ist denn inzwischen Ihre Einschätzung zu dem Thema, mit der veränderten Zinssituation?
Und noch eine Frage in diesem Kontext: Die allermeisten Unternehmensanleihen sind für Privatanleger ja leider nicht mehr handelbar. Grund ist wohl, dass die Unternehmen seit 2018 ein Basisinformationsblatt zur Verfügung stellen müssen, wenn sie auch an Privatanleger verkaufen wollen. Eigentlich ist das zum Schutz der Privatanleger gedacht - in der Praxis ist die Folge aber, dass den Unternehmen der Aufwand für die Erstellung des Informationsblatts zu hoch ist. Entsprechend kann man die meisten Unternehmensanleihen als Privatanleger nicht mehr kaufen.
Bei einigen Unternehmen geht das doch noch - nur ist es mir bisher nur durch mühsames Ausprobieren (bei meinem Depot bis kurz vor dem Kauf klicken und schauen, ob eine Fehlermeldung kommt) gelungen, das herauszufinden. Kennen Sie eine Such-/Vergleichsseite für Anleihen, auf der man danach filtern kann, ob sie ein Basisinformationsblatt haben (und damit auch für Privatanleger zu erwerben sind)?
Danke!
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