04.08.2014 - Heinz-Roger Dohms - 0 Kommentare
Für die meisten Sparer gilt noch immer: Das Ersparte ist bei einer Bank am sichersten. Im Herbst 2008, als nach der US-Bank Lehman Brothers auch noch die Münchner Hypo Real Estate zusammengekracht war, schien das plötzlich alles andere als selbstverständlich. Darum stellten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück am 5. Oktober – einem Sonntag – vor die Kameras und versprachen wortwörtlich: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. (…) Dafür steht die Bundesregierung ein.“.
Bei genauerer Betrachtung war und ist das ein eher luftiges Versprechen. Die Deutschen verfügen über Spareinlagen von rund 2.080 Milliarden Euro während der gesamte Bundeshaushalt gerade einmal knapp 300 Milliarden Euro schwer ist. De facto hätte die Bundesregierung also gar nicht die Finanzkraft, um wirklich alle deutschen Sparer bis auf den letzten Cent zu entschädigen. Entscheidend war im Herbst 2008 aber etwas anderes: die psychologische Wirkung des Auftritts. Die deutschen Sparer blieben ruhig und ließen ihr Geld auf der Bank, anstatt es panikartig abzuziehen („Bank-Run“). Trotzdem bleibt die Frage: Warum mussten Kanzlerin und Finanzminister das Versprechen im Herbst 2008 abgeben? Ist für die Sicherheit der Ersparnisse nicht die Einlagensicherung verantwortlich?
Tatsächlich gibt es in Deutschland nicht die eine Einlagensicherung, sondern aufgrund des dreigliedrigen Bankensystems (Privatbanken, Sparkassen und Landesbanken, Volks- und Raiffeisenbanken) gleich mehrere. Sämtliche der deutschen Finanzaufsicht unterliegendenPrivatbanken (z. B. Deutsche Bank, Commerzbank, ING-DiBa etc.) sind dabei nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz zur Mitgliedschaft bei der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) verpflichtet – also der „gesetzlichen Einlagensicherung“, wie es meistens heißt. Darüber hinaus zahlen viele dieser Banken aber auch in den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) ein („freiwillige“ oder „private Einlagensicherung“), um ihren Kunden eine Absicherung von Guthaben über der gesetzlichen Grenze von 100.000 Euro zu gewährleisten.
Die jährlichen Gebühren, die die Privatbanken an die beiden Entschädigungstöpfe abführen, sind allerdings vergleichsweise gering. So kommt es, dass im Topf der „gesetzlichen Einlagensicherung“ per 31.12.2013 gerade einmal 989 Millionen Euro lagen, wie aus der Ende Juni vom Finanzministerium veröffentlichten „Vermögensrechnung des Bundes“ hervorgeht (Seite 39, Abschnitt 3.4.3.7). Zuletzt füllte sich der Topf nur mit rund 150 Millionen Euro pro Jahr, sodass das Fondsvolumen auf absehbare Zeit überschaubar bleiben wird.
Ein großes Geheimnis macht derweil der Bundesverband deutscher Banken (BdB) um das Vermögen seines privaten Sicherungsfonds. Plausiblerweise dürfte aber auch im BdB-Topf kaum mehr als ein niedriger einstelliger Milliardenbetrag liegen. Denn: Als 2008 mit den amerikanischen Lehman Brothers auch deren deutsche Tochter pleiteging, war die private Einlagensicherung nicht in der Lage, die fälligen Entschädigungen von gut 6 Milliarden Euro aus dem vorhandenen Fondsvermögen zu zahlen. Lehman hatte vor allem große Unternehmenskunden mit hohen Guthaben, sodass die Entschädigung primär durch den Fonds des BdB und weniger durch die „gesetzliche Einlagensicherung“ geleistet werden musste. Die Auszahlung gelang dem BdB letztlich durch Ausgabe einer 6,7 Milliarden Euro schweren Anleihe und damit der Aufnahme eines Kredites. Diese Anleihe ist laut Auskunft des BdB erst seit Anfang 2014 vollständig zurückgezahlt, weshalb man davon ausgehen darf, dass sich der BdB-Topf nach der Lehman-Belastung nun erst langsam wieder füllt.
Nicht weniger groß ist das Rätselraten um die eigenen Sicherungstöpfe der Volks- und Raiffeisenbanken einerseits und der Sparkassen andererseits. Die „Financial Times Deutschland“ bezifferte 2012 das Vermögen der 13 regionalen Sicherungstöpfe der Sparkassen auf „nicht mal 3 Mrd. Euro“. Daneben gibt es einen weiteren Anhaltspunkt: Im März 2008 sagte der damalige Finanzminister Steinbrück in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Finanzausschusses, dass in allen deutschen Sicherungssystemen zusammen nicht mehr als 4,5 Milliarden Euro lägen – und das vor dem Kollaps der deutschen Lehman-Tochter. Kurzum: Auch heute dürfte sich in den deutschen Schutztöpfen kaum mehr als ein mittlerer, maximal gehobener einstelliger Milliardenbetrag befinden.
Dass das Vermögen der gesetzlichen Einlagensicherung und des privaten Fonds des BdB schon bei der Pleite einer mittelgroßen Bank nicht ausreichen dürfte, gilt als wahrscheinlich. Besonders deutlich wird das Missverhältnis aber bei einem Blick zur ING-DiBa, die mit etwa 7 Millionen Sparern und einem verwalteten Guthaben von über 100 Milliarden Euro (siehe Jahresbericht 2013) im Falle einer Pleite jeden noch so gut gefüllten Einlagensicherungsfonds sprengen würde. Nur: Ginge es allein um die Frage, wie viel Geld in den Töpfen ist, wäre das deutsche Bankensystem wohl schon mehrfach zusammengebrochen.
Der Fall der deutschen Lehman-Tochter zeigt exemplarisch, dass der Sicherungstopf das Geld zur Entschädigung nicht zwingend schon besitzen muss, sondern es sich im Ernstfall auch kurzfristig am Kapitalmarkt leihen kann. Dies funktioniert besonders dann sehr gut, wenn der Staat dabei hilft. Tatsächlich gab die Bundesregierung 2008 eine Garantie für die Anleihe ab, das heißt, sie bürgte mit ihrer Kreditwürdigkeit für den privaten BdB-Fonds. Das Geld allerdings kam von den Mitgliedsbanken selber.
Generell gilt, dass die Schlagkraft eines Einlagensicherungssystems auch immer von dem Staat abhängt, der dahintersteht. Dieser hat ein inhärentes Interesse daran, sein Bankensystem stabil zu halten, auch wenn eine klare rechtliche Pflicht zum Eingreifen bzw. zur Haftung fehlt. Beispielsweise sprang bei den großen deutschen Bankenschieflagen 2007 und 2008 (IKB, Hypo Real Estate, Commerzbank und die Landesbanken) immer der Staat ein, sodass die Sicherungssysteme überhaupt nicht oder nur zu einem kleinen Teil beansprucht wurden. Bei der Rettung der Commerzbank zum Beispiel wurde der BdB-Topf gar nicht angezapft. Im Fall der IKB soll der BdB Berichten zufolge zwar über seinen privaten Einlagensicherungsfonds 500 Millionen Euro beigesteuert haben. Den Großteil der insgesamt rund 10 Milliarden Euro teuren Rettungsaktion stemmte aber der Staat, und damit der Steuerzahler.
Festhalten lässt sich immerhin, dass sich das deutsche Einlagensicherungssystem in den zurückliegenden Jahrzehnten bewährt hat. Seit der Herstatt-Pleite im Juni 1974, die Anlass für die Gründung der privaten Einlagensicherung war, haben Kleinsparer bei deutschen Banken keine Beträge über der jeweils gültigen Sicherungsgrenze mehr verloren.
Der BdB ist mit seinem privaten Topf nach eigenen Angaben bislang 36-mal eingesprungen, zuletzt 2011 bei der Rettung der ehemaligen Karstadt-Quelle-Bank Valovis. Auffällig: Gerade in den vergangenen Jahren überwogen die Fälle, in denen der Bankenverband einschritt, bevor es zu einer Insolvenz kam. Bei großen Instituten wie der IKB oder Hypo Real Estate (HRE) tat er das zusammen mit dem Staat. Bei kleineren Banken wie Wölbern oder Valovis wurde der BdB dagegen in Eigenregie tätig.
„Gesetzliche Einlagensicherung“
(Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH)
„Frewillige Einlagensicherung“
(Fonds des Bundesverbandes deutscher Banken)
Wann die gesetzliche Einlagensicherung und wann die private einspringt, ist klar geregelt. Nach der momentanen Gesetzeslage kommt der gesetzliche Topf für Einlagen bis 100.000 Euro pro Kunde auf, der private für die Ersparnisse, die darüber hinausgehen (zum Teil bis in den Bereich mehrerer Millionen). Bei der Weserbank zum Beispiel kam diese Teilung mustergültig zum Tragen, wobei die gesetzliche Einlagensicherungsgrenze 2008 noch bei 20.000 Euro statt der heute gültigen 100.000 Euro lag.
Bei der Noa Bank hingegen griff 2010 nur die gesetzliche Sicherung ein, weil das Institut der privaten Einlagensicherung (die freiwillig ist) nicht angehörte. Die Grenze lag damals bei 50.000 Euro und tatsächlich hatten die meisten Kunden nicht mehr als diesen Betrag bei der Noa Bank angelegt. Sie wurden vollständig entschädigt. Einige wenige Kunden lagen aber über 50.000 Euro und mussten Ersparnisse über diesem Limit abschreiben. Insgesamt hatten schätzungsweise rund 10.000 Sparer zum Zeitpunkt der Insolvenz rund 172 Millionen Euro Guthaben bei Noa liegen. Davon wurden 159 Millionen Euro durch die Entschädigungseinrichtung ausgezahlt (also alles bis 50.000 Euro pro Kunde).
Obwohl in Relation zum Sparvermögen vergleichsweise wenig Geld in den Sicherungstöpfen liegt, hat sich die deutsche Einlagensicherung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten als überraschend robust erwiesen – vor allem, weil bei den großen Schieflagen immer auch der deutsche Staat den Banken und damit deren Kunden zur Seite sprang. In Zukunft will sich die Bundesregierung allerdings nicht mehr so selbstverständlich einspannen lassen, wie das in der großen Krise 2007 und 2008 der Fall war. Für große Gläubiger (z. B. Anleihebesitzer und Sparer mit mehr als 100.000 Euro) könnte das zum Problem werden. Kleinsparer bis 100.000 Euro hingegen dürfen sich nach allem, was vorhersehbar ist, aber auch in Zukunft relativ sicher fühlen.
Sind Sparguthaben bei deutschen Banken bis zur Einlagensicherungsgrenze damit absolut sicher? Nein, denn die Geschichte lehrt, dass auch Staaten pleitegehen können und insbesondere bei einer fortgesetzten Schuldenpolitik kann theoretisch auch hierzulande das Risiko steigen. Aktuell profitiert Deutschland aber noch immer von seinem Spitzen-Rating und gilt im Vergleich zu vielen anderen (europäischen) Staaten trotz der vielen ungelösten Probleme als Musterland. Einlagengeschützte Sparkonten bei deutschen Banken dürften damit auch auf absehbare Zeit zum sichersten gehören, was im Bereich der Geldanlage zur Verfügung steht.
Ein paar Grundregeln zur Risikominimierung gilt es aber auch hier zu beachten: Guthaben über 100.000 Euro pro Kunde sollten vermieden werden, auch wenn die Bank Mitglied der freiwilligen Einlagensicherung des BdB ist und dadurch theoretisch Beträge über diesem Wert abgesichert sind. Einen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt es beim BdB nicht. Gleichzeitig kann die Mitgliedschaft einer Bank in der privaten Einlagensicherung aber durchaus ein positives Signal sein, ist diese für die Banken doch mit einem zusätzlichen Aufnahmeverfahren verbunden, an dem nach Information von Kritische-Anleger.de zum Beispiel die Noa Bank einst scheiterte. Sie schlitterte 2010 in die Insolvenz.
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