15.04.2023 - David Stahmann - 8 Kommentare
Die Zinsen (gemeint sind in erster Linie die drei Leitzinsen der EZB und damit verbunden die allgemeinen Zinsen auf Einlagen von Bankkunden) machen seit vergangenem Jahr eine rasante Entwicklung nach oben durch. Gut sichtbar wird das u. a. in unserer Grafik zur durchschnittlichen Zinsentwicklung von Tagesgeld: In den letzten 12 Monaten hat sich dieser von rund 0,5 Prozent auf fast 3 Prozent nahezu verfünffacht. Das bringt allerdings leider wenig, wenn die Inflationsrate im gleichen Zeitraum noch exorbitant stärker gestiegen ist und allein 2022 knapp 7 Prozent betrug. Das macht „im besten Fall“ Pi mal Daumen eine Realrendite von MINUS 4 Prozent.
Übrigens: Die aktuelle Situation relativiert somit u. a. nachträglich die in den vergangenen Jahren der Niedrigzinsphase vielfach geäußerten Klagen von Anleger*innen über genau diesen damaligen Zustand der extrem geringen Zinsen auf geldwerte Anlagen. Wir hatten aber schon damals immer wieder darauf hingewiesen, dass am Ende die Realrendite zählt, also die Inflationsrate abgezogen werden muss. Ein Blick in die entsprechende Grafik „Verbraucherpreisindex“ des Statistischen Bundesamts zeigt: Bis vor dem Jahr 2021 schwankte diese jährlich grob in einem Band zwischen 0,3 und 1,8 Prozent. Stellt man nun diese Inflationszahlen den durchschnittlichen Tagesgeldzinsen gegenüber, stellt man schnell fest: Ja, (große) Gewinne waren damit nicht zu machen – aber dafür musste man real „nur“ mit realen Renditen von maximal -1 bis -2 Prozent leben. Das war schon aus historischer Perspektive heraus ein relativ durchschnittliches und somit eigentlich „gutes“ Ergebnis und ist aus heutiger Sicht schon fast ein quasi-feuchter Traum für Tagesgeld-Enthusiasten, der auch nach aktuellem Stand auch (noch) nicht so schnell wiederkommen wird. Insofern sind die aktuellen Zinsen auf Guthaben zwar auf dem Papier besser als in der vergangenen Dekade – aber es sind letztendlich nach wie vor „schlechte Zinsen“.
Es geht uns hier aber gar nicht um irgendwelche nachträgliche Schadenfreude oder Rechthaberei. Wir wollen lieber noch einmal an einen anderen Aspekt der aktuellen Zinsentwicklung erinnern, der aus unserer Sicht relevanter für uns Kapitalmarktakteure sein dürfte und dafür sorgt, dass es gleichzeitig doch „gute Zinsen“ sind: Der Faktor „Risiko“ wird wieder (zunehmend adäquater) bepreist. Vergleichsweise hochriskante Geldanlagen wie Crowdinvesting-Projekte, „Junk Bonds“ (also Anleihen mit Ratings im „spekulativen Bereich“) oder irgendwelche Startup-Geschichten boten nicht nur aus unserer Sicht in den letzten Jahren eigentlich viel zu niedrige (fixe) Renditen für das oftmals gegebene Ausfallrisiko, das mit diesen Anlagen verbunden war. Aber wer nicht auf den volatileren Aktienmarkt ausweichen konnte und jeden zusätzlichen Prozentpunkt „sichere“ Rendite brauchte (oder einfach blind wollte), hatte kaum Alternativen. Und für die Anbieter bestand auf der anderen Seite kein Druck zur Erhöhung der angebotenen Rendite, da es „kostenloses“ Geld im Überfluss gab und man sich Anlagedruck und Alternativlosigkeit auf Anlegerseite bewusst war.
Diese Entwicklung der vergangenen Jahre dreht sich nun um; in manchen Bereichen langsamer, in anderen wiederum schneller. Sehr schön sieht man das z. B. in unserem Crowdinvesting-Vergleich bei einer Sortierung nach Zinssatz. Mittlerweile sehen wir immer öfter angebotene Zinssätze im hohen einstelligen Bereich bis hin zu 10 Prozent bei dagobertinvest. Selbst große Anbieter wie Exporo und Engels & Völkers, die bis vor Kurzem in einem Renditebereich von 4-5 Prozent lagen, nähern sich bei neueren Projekten öfterr Richtung 7-8 Prozent an. Ob diese Zinsentwicklung die im gleichen Zug ebenfalls deutlich erhöhten Risiken v. a. beim Immobilien-Crowdinvesting aktuell besser widerspiegeln, ist aus unserer Sicht weiterhin mindestens diskussionswürdig. Aber unsere Hoffnung und damit auch Erwartung an unsere Leser sowie Leserinnen ist, dass diese optisch erheblich höheren Zinsen als deutlich sichtbareres „Warnsignal“ bzgl. der allgemeinen Risikoklasse einer spezifischen Geldanlage wahrgenommen werden. Diese finanzielle Risikowahrnehmung ist aus unserer Sicht in den letzten Jahren bei nicht wenigen Menschen aufgrund besagter optisch niedriger Renditezahlen etwas verlorengegangen. Hoffen wir also, dass die derzeitige allgemeine Zinsentwicklung noch lange genug anhält, um diese Risikowahrnehmung wieder gut antrainieren zu können und damit der Kapitalmarkt auf Anbieterseite wieder etwas bereinigt wird.
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Bitte was nützen mir 3% Zinsen bei real mehr als 33% Preissteigerung für die Dinge des täglichen Lebensbedarfs? Die von Ihnen genannte niedrige Inflationsrate ist ja sowieso eine politische Lüge und deshalb wurde bekanntlich neulich zwecks niedrigerer Werte der zum Messen benutzte Warenkorb in der Zusammensetzung mal wieder geändert.
Für Menschen in meinem Alter gibt es jedoch ein ganz anderes Problem: die Altersvorsorge für die Zeit der Pflege. 2012 blieben meiner Mutter beim Einzug in ein Pflegeheim nach der Selbstbeteiligung noch 300 Euro. Aber schon damals konnten 60% ihrer Bekannten sich gar keinen Pflegeplatz im Heim leisten. Im Januar 2015 reichte dann auch die gesamte Rente meiner Mutter schon nicht mehr aus für die Zuzahlung. Und heute muss man in diesem Heim für die identische Unterbringung und identische Leistungen monatlich satte 3600 Euro zu zahlen. Um diese kommenden Kosten zu bewältigen brauche ich also mindestens 50% Zinsen für meine Ersparnisse - und nicht 3%. Man könnte daher meinen sehr böse Überraschungen für Millionen meiner Mitbürger sind im kommen. Als Ausweg (?) bietet sich der von Ihnen angesprochene Weg des finanziellen Zockens mit hohen Risiken an, aber ohne mich.
Die.von Ihnen erwähnten 3.600 € sind die gesamten Heimkosteb und keine Zu-Zahlungen! Diese betragen - nach Abzug der Kassenleistung noch rd. 1.800 € - auch noch viel Geld!
Aber in Deutschland braucht niemand zu darben, es gibt ja auch noch die Sozialhilfe, die JEDEM/R Hilfsbedürftigen zusteht!!
@klawa1
Meine Angaben sind exakt und richtig. Für lumpige 1800 Euro Zuzahlung aus eigener Tasche bekommen Sie hier 2023 nur noch eine 4 qm große Kammer zum Sterben, ausgestattet mit einem Pflegebett, einem Nachttisch, einer Totalverblödungsglotze angeschraubt an der Wand und einem Sessel. Der zweitürige Spind mit Kleidung zum Wechseln steht da bereits vor der Tür der Sterbekammer. Und die Sozialhilfe greift sowieso erst, nachdem das eigene Vermögen komplett weg ist und die eigenen Kinder umfassend gemolken wurden. Aber träumen Sie ruhig mit Hilfe von Herrn (Lügen-)-Döpfner weiter. Ihre Realitätsferne ist für mich sehr beeindruckend.
Hier nochmal eine Kopie aus dem internet zum Streitthema "Der durchschnittliche Eigenanteil, den pflegebedürftige Bewohner eines Heims selbst tragen müssen, beträgt im Jahr 2023 durchschnittlich 2.468 Euro pro Monat." Die Angaben diverser Quellen schwanken dabei etwas.Mit 50 000 Euro Ersparnissen kann man also heute nicht mal mehr 2 Jahre im Pflegeheim finanzieren. Und weil mit dem Eigenanteil viele Mitbürger überfordert sind, mussten seit Jahresanfang mehrere Heimbetreiberketten Insolvenz anmelden und viele Pflegeheimbauprojekte wurde gestoppt.Ich wünsche daher allen viel Erfolg bei Ihren Geldanlagen und finanzielle Sicherheit im Alter.
Mit diesem "Nettorendite"-Argument hab' ich immer so meine Probleme, denn es kommt doch ganz entscheidend auf das individuelle Konsumverhalten an. Wenn ich bei der aktuell hohen Inflationsrate wenig konsumiere, trifft mich die Inflation ja gar nicht voll. Die zwischenzeitlich explodierten Energiepreise sind ja auch schon wieder am Fallen. Wenn ich da Geld, das ich aktuell nicht brauche, zu 3 bis 5% anlegen kann und es vielleicht erst in ein paar Jahren ausgebe, kann ich doch damit evtl. ganz gut fahren. Wer weiß denn heute schon, wo in 5 Jahren die Inflationsrate ist?
Wichtiger ist mir, dass der jahrelange Unfug mit den Null- und Negativzinsen (vorerst) vorbei ist. Die Finanzmärkte sind endlich wieder vom Kopf auf die Füße gestellt!
Für Häuslebauer und Schuldenmacher wird's natürlich jetzt ungemütlicher, aber es konnte doch niemand ernsthaft davon ausgehen, dass es fremdes Geld auf Dauer zum Nulltarif gibt. Manche haben sicher auch in den Zeiten der Niedrigzinsen ihr Schnäppchen machen können: Wer sich z.B. noch rechtzeitig einen 30-jährigen Immobilienkredit zu um die 1% sichern konnte, kann sich jetzt die Hände reiben ...
Sie könnten die Risiken beim Crowdinvestung deutlicher machen. Als Beispiel meine Verluste/fraglichen Investitionen:
Bettervest € 22000 Verlust
Dagobert €12000 'in Betreibung'...
Bergfürst€ 1000Verlust
Zinsland €10000 ungeklärt seit 2022
@ lobopecuniae
Das sind keine kleinen Summen.
Ich gehe davon aus, es gab nicht nur Verluste, sondern die Investitionen lagen insgesamt höher.
Wie sind den im Verhältnis die Einnahmen/Zinseinkünfte?
Also unterm Strich Plus oder Minus?
Zumindest die Erfahrung dürfte zugenommen haben...
Die.von Ihnen erwähnten 3.600 € sind die gesamten Heimkosteb und keine Zu-Zahlungen! Diese betragen - nach Abzug der Kassenleistung noch rd. 1.800 € - auch noch viel Geld!
Aber in Deutschland braucht niemand zu darben, es gibt ja auch noch die Sozialhilfe, die JEDEM/R Hilfsbedürftigen zusteht!!
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