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Eiszeit in der Weltwirtschaft – Ein Interview mit Dr. Daniel Stelter

11.07.2016 - Dr. Daniel Stelter - 0 Kommentare

Interview mit Dr. Daniel Stelter von Think Beyond The Obvious zur wirtschaftlichen Eiszeit

Aus Gesprächen mit Anlegern wissen wir, dass sich viele Sorgen über die Zukunft machen. Nach der großen Finanzkrise in 2007/2008 haben wir uns gefühlt nie so richtig vom Krisenmodus verabschiedet. Die Zentralbanken senden mit ihrer aggressiven Geldpolitik (Stichwort Negativzinsen) zudem Signale, die auf keinen guten Zustand der Wirtschaft schließen lassen. Dr. Daniel Stelter, Makroökonom und Strategieberater, hat zur aktuellen Situation ein Buch geschrieben – der Titel: Eiszeit in der Weltwirtschaft. Wir hatten die Ehre, ihm dazu einige Fragen stellen zu können.

Redaktion: Der Titel Ihres Buches lautet “Eiszeit in der Weltwirtschaft”. Was genau meinen Sie mit Eiszeit und was bedeutet diese ganz konkret für Anleger? Auf welche Probleme und Entwicklungen müssen wir uns Ihrer Meinung nach einstellen?

Stelter: Die Eiszeit ist ein Periode geringen Wachstums, häufiger Rezessionen und Krisen, steigender Verschuldung und immer tieferer Zinsen und aggressiver Geldpolitik. Man könnte es auch als „japanische Verhältnisse“ für die westliche Welt umschreiben. Ökonomen sprechen auch von säkularer Stagnation und sehen die Ursache in zu vielen Ersparnissen. Ich sehe die Ursachen eindeutig im Verschuldungsboom der letzten Jahrzehnte der zu Fehlinvestitionen und Überkapazitäten geführt hat und zu einer Überschuldung weiter Teile der Welt. Die Schuldenlast erdrückt uns jetzt.

Redaktion: Ist diese Einschätzung nicht ein wenig zu pessimistisch? Schließlich hat für uns in den letzten Jahrzehnten das Schuldenmachen stets dazu gehört und uns geht es noch immer sehr gut in Deutschland. Was spricht dagegen, dass wir unseren Wohlstand noch sehr lange werden erhalten können?

Stelter: Korrekt: die Bereitschaft anderer Länder sich zu verschulden hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir entsprechend erfolgreich Waren in alle Welt exportieren konnten. Aus Deutscher Sicht ist das aber nur vordergründig gut. Denn wer einen Handelsüberschuss hat, exportiert auch Ersparnisse in die Welt. Überwiegend geben wir dem Ausland Kredit. In einer überschuldeten Welt ist das nicht gerade smart, denn es ist nur eine Frage der Zeit bis unsere Schuldner erklären, nicht zahlen zu können. Dann hätten wir unsere Autos auch gleich verschenken können.

Redaktion: In Ihrem Buch erläutern Sie, dass Sie kein großer Freund von Indexfonds in Form von ETFs sind. Dies widerspricht ein wenig dem allgemeinen Tenor vieler Honorarberater, Finanzblogger und Finanzwissenschaftler. Können Sie kurz erklären, warum Sie sich für die Eiszeit nicht mit den heute so beliebten ETFs eindecken würden?

Stelter: So sage ich es nicht. Für kleinere Vermögen ist es die kostengünstigste Art um in Aktien zu investieren. Bei größeren Vermögen gibt es in der Tat gute Gründe, sich lieber ein individuelles Portfolio zusammenzustellen. Zum einen beinhalten Indexfonds Aktien von Unternehmen die man auf keinen Fall in der Eiszeit halten möchte, wie Banken und Versicherungen. Auch sind Branchen enthalten, die strukturell kein Geld verdienen, wie z. B. Luftfahrtunternehmen. Zudem sind die Indizes selber prozyklisch. Aktien werden erst aufgenommen, wenn sie schon eine gute Zeit hinter sich haben. Denken sie an die Aufnahme von Apple in den Dow Jones Index im März 2015. Da waren die besten Jahre schon vorbei.

Redaktion: Um die Eiszeit zu überleben, schlagen Sie ein Portfolio aus Qualitätsaktien vor. Was meinen Sie ganz konkret mit “Qualitätsaktien” und haben Sie Tipps, wie Privatanleger solche Aktien am besten finden können?

Stelter: Qualitätsaktien zeichnen sich durch robuste Geschäftsmodelle, moderate Verschuldung und gutes Management aus. Es gibt Studien, die solche Unternehmen turnusmäßig herausfiltern. Allerdings muss man schon festhalten, dass diese Unternehmen mittlerweile auf einem sehr hohen Bewertungsniveau notieren, weil die Anleger zu Recht in diese Werte flüchten. Dennoch sollte man sich bei Rückschlägen wie zum Beispiel im Zuge des Brexit-Schocks eine Position aufbauen. Ich habe an dem Freitag zum Beispiel BMW gekauft.

Redaktion: Am Anfang des 4. Teils Ihres Buches findet sich der Satz “Der einzige Tipp: Glauben Sie nicht an Tipps!”. Handelt es sich bei Ihrem Vorschlag, Bankaktien zu meiden und einzelne Qualitätsaktien zu suchen nicht letztlich auch um Tipps? Und müsste man daraus nicht eigentlich schließen, dass ETFs doch die beste Alternative sind?

Stelter: Tipps sind für mich Empfehlungen auf dem Niveau von „Streuobstwiese“ und „Whisky-Sammlung“. Auch Einzelwerte kann man selten empfehlen. In meinem Buch lege ich viel Wert auf die langweilige Grundstruktur des Portfolios, geringe Kosten und Disziplin. Ich denke das sind keine Tipps, sondern Grundregeln.

Redaktion: Teil Ihres Konzepts für das Eiszeit-Portfolio ist es, auch in anderen Währungen außerhalb der EU zu investieren. Wie können das Privatanleger Ihrer Meinung nach am einfachsten und kostengünstigsten umsetzen?

Stelter: Indem sie Aktien und Anleihen in Fremdwährungen kaufen. Dazu müssen sie keine Kontobeziehung außerhalb Deutschlands haben. Haben Sie jedoch die Möglichkeit ein Konto außerhalb der Eurozone zu eröffnen und verfügen über die Mittel auch dort Geld anzulegen, ist es sicherlich eine Überlegung wert. Angesichts der derzeitigen Politik in Europa können Eingriffe wie Bargeldverbot und Kapitalverkehrsbeschränkungen nicht ausgeschlossen werden.

Redaktion: Wie ist Ihre Meinung zum Edelmetall Gold und wie sehen sie es im Vergleich zu Violinen, Kunst, Whiskey, Oldtimern und ähnlichen Objekten? Wie sollte man in Gold am besten investieren, wenn man es denn tun möchte?

Stelter: Gold ist homogen und kompakt und seit mehr als 6.000 Jahren ein Symbol für Werterhalt. Warum sollte sich was daran ändern? Alle anderen heute „gehypten“ Anlagen sind nur vermeintlich sicher. Kommt es zu einem Reset im System, dürften diese erst in Jahrzehnten wieder so attraktiv bewertet sein. Bei einem Neustart benötigen Sie vor allem beleihungsfähiges Eigenkapital. Nur physisches Gold ist Gold. Sie müssen es anfassen können. Allerdings besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass es zu einem Goldverbot kommt. Deshalb sollten sie auch in Goldminen investieren, obwohl die hohen Schwankungen unterliegen.

Redaktion: Die Zinsen für Kredite sind auf einem historisch niedrigen Niveau. Viele Anleger wittern dadurch die Chance auf gute Renditen im Bereich der Immobilien und verschulden sich dafür, ganz nach dem Motto “Wenn nicht jetzt, wann dann?”. Was halten Sie davon?

Stelter: Wenig. Immobilien gehören in jedes Portfolio. Aber nur wegen tiefer Zinsen sich hoch verschulden um Immobilien zu kaufen ist gefährlich. Kommt es zur großen Inflation gewinnt man zwar, dürfte dann aber der Besteuerung aus Gründen der „Gerechtigkeit“ zum Opfer fallen. Zugleich drohen Eingriffe wie die Mietpreisbremse. Immobil ist da ein Nachteil.

Redaktion: Der amerikanische Statistiker Nassim Taleb weist in seinem Buch “The Black Swan” immer wieder darauf hin, wie anfällig wir gegenüber unvorhersehbaren extremen Ereignissen sind (siehe Fukushima, VW-Skandal oder die Entkoppelung des Schweizer Frankens vom Euro). Schützt Ihr Portfolio-Ansatz Anleger auch vor den kommenden schwarzen Schwänen?

Stelter: Fukushima lasse ich als Beispiel vielleicht noch stehen. VW Skandal ist was anderes. Dass VW kein Qualitätsunternehmen ist, konnte man schon immer sehen. Ein Blick in die Eigentümerstruktur, die Macht der Gewerkschaften und die Skandale der letzten Jahrzehnte (Luxusreisen, Bordellbesuche, Übernahmeschlacht mit Porsche) haben genügt, um die Aktie nicht zu halten. Schweizer Franken ist völlig falsch. Jedem Beobachter war klar, dass die Schweizer es nicht ewig durchhalten. Der Termin war offen, die Tatsache als solche nicht.

Redaktion: Ihrem Buch ist auch zu entnehmen, dass Sie Zukunftsprognosen auf Basis von Vergangenheitswerten für problematisch halten. Würden Sie dann auch behaupten, dass die Annahme langfristig stets steigender Börsenkurse falsch ist?

Stelter: Das kommt darauf an, wie lange sie „lange“ definieren. Wenn Sie in Generationen denken sind Aktien unschlagbar. Wenn Sie teuer kaufen, zum Beispiel im Januar 2000 oder September 1929 kann es schon Jahrzehnte dauern bis sie wieder auf dem Einstiegsniveau sind. Auch heute sind Aktien sehr hoch bewertet, vor allem in den USA. Auch ohne Crash ist da nicht mehr viel zu erwarten. Da wir alle nur einen beschränkten Zeithorizont haben, nutzen uns sehr langfristige Prognosen herzlich wenig.

Redaktion: Eine Frage, die wohl viele Anleger interessieren dürfte: Wie lange werden wir noch mit den Niedrigzinsen zu kämpfen haben? Wann und wie kommt endlich die Zinswende? Können Sie trotz der Probleme im Zusammenhang mit Zukunftsprognosen eine solche für uns wagen?

Stelter: Eine überschuldete Welt braucht tiefe Zinsen. Hinzu kommt der demografische Wandel und das geringe Produktivitätswachstum. Dies spricht für eine lange Phase tiefer Zinsen. Höhere Zinsen bekommen wir erst nachdem die faulen Schulden bereinigt wurden. Noch fehlt der politische Mut dies zu tun. Solange wir keine Schritte in diese Richtung sehen, bleiben die Zinsen wohl tief.

Redaktion: Nun noch eine schnelle Frage-Antwort-Runde
Ihre aktuelle Aktienquote im persönlichen Vermögensportfolio:
35 Prozent
Ihr größer Finanzfehler:
Bei Gewinneraktien zu früh auszusteigen
Vervollständigen Sie! Das wichtigste bei der Geldanlage ist:
Disziplin
Dieses Buch sollte jeder Anleger gelesen haben:
Manias, Panics and Crashes von Charles Kindleberger
Wenn Sie nur eine Aktie besitzen könnten, welche wäre das:
Nestlé
Angenommen Sie kämen noch einmal frisch aus der Uni, hätten Ihren ersten gut bezahlten Job angenommen und könnten satte 500 € pro Monat sparen. Wie würden Sie dieses Geld anlegen?:
In der Tat – und nun lachen sie – in einem globalen Indexfonds – einfach wegen Kosten und Zeithorizont.
Redaktion: Zum Schluss würden uns noch Ihre spontanen Assoziationen mit den folgenden Worten interessieren.
FinTechs: Liqid – das beste Vehikel für Asset Management
Risikoaversion: Maximiert im heutigen Umfeld das Risiko statt es zu senken
Glück: Mehr als Geld
Zukunft: Allen wird es besser gehen (nach der Krise)
Arbeit: Wichtiger Lebensinhalt


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