01.09.2017 - Stefan Erlich - 0 Kommentare
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Als Inhaber und Betreiber der Plattform Kritische-Anleger.de geht mir Kritik an unseren Inhalten besonders nahe. Jeder, der schon einmal ein eigenes Projekt oder Unternehmen aus dem Boden gestampft hat, kann dies wahrscheinlich nachvollziehen. Ein Abonnent unseres Anleger-Updates fragte kürzlich recht kritisch bei mir nach, inwiefern unsere Empfehlung für die East West Direkt und ihr Tagesgeld mit damals noch 0,75 % denn gerechtfertigt und nicht vielleicht von Provisionszahlungen getrieben war. Ich legte meine Argumente für diese noch recht unbekannte Bank ausführlich dar und schien damit zumindest die gröbsten Zweifel aus dem Weg geräumt zu haben. Ein Satz in der Antwort des Herrn blieb mir jedoch hängen: “Gelegentlich kommt mir aber der Gedanke, es ist alles relativ.” Gemeint war der geringe Zinsunterschied zwischen den vielen Tagesgeldangeboten.
Die Frage “Lohnt sich das überhaupt noch?” ist angesichts von Niedrigzinsen und relativ geringen Unterschieden zwischen den Banken nicht unberechtigt. Warum empfehlen wir überhaupt noch Angebote wie das der East West Direkt, wenn selbst bei hohen Anlagebeträgen von z. B. 100.000 € im Vergleich zu einem relativ beständigen Anbieter wie der Moneyou nur ein Zinsvorteil von 250 € pro Jahr entsteht - vor Steuern. Bei den meisten Anlegern dürfte es sich eher um Beträge um die 20.000 € handeln, bei denen der Zinsvorteil gerade einmal 50 € entspricht, und das auch nur, wenn die Zinsen für ein ganzes Jahr so bleiben wie zum Zeitpunkt der Empfehlung. Peinlich für uns, wenn wenige Wochen später die empfohlene Bank die Zinsen massiv von 0,75 % auf 0,45 % senkt und damit sogar unter denen der Moneyou liegt (0,50 %).
Angesichts von über 18.000 Lesern dürften viele unserer Empfehlung gefolgt sein und jetzt zurecht kritisch fragen, was für einen Mist wir da empfohlen haben. Mich persönlich ärgert die Sache wahrscheinlich am meisten, denn mein Credo war und ist es, nicht der Verlockung von ein paar mehr Prozentpunkten zu erliegen, denn oftmals gilt auch hier der alte Börsenspruch “Hin- und Her macht Taschen leer!” Häufig muss man für das Postident zur Post, ärgert sich über neue Zugangsdaten und grübelt dann auch noch über die richtige Verteilung des Freistellungsauftrages. Das alles für 50 € mehr im Jahr? Natürlich wertet jeder seine Zeit anders und gerade bei sehr hohen Anlagebeträgen sieht die Rechnung nicht mehr ganz so trüb aus. Doch der Fall hat für mich wieder einmal gezeigt, dass das Nichtstun nicht die schlechteste Strategie ist.
Es ist ein Paradoxon unserer Gesellschaft, dass Tatenlosigkeit nicht belohnt wird. Kein Politiker wird wiedergewählt, weil er in der letzten Legislaturperiode besonders wenig getan hat. Kein Anlageberater wird bei Ihnen besonders im Gedächtnis bleiben, weil er Ihnen empfohlen hat, alles auf dem Tagesgeldkonto liegen zu lassen. Und kein Richter wird in den Medien gefeiert, weil er den unüberlegten Blödsinn einiger übermütiger Jungs unbestraft ließ. Dabei ist es genau diese Tatenlosigkeit, die einen nicht zu unterschätzenden Wert haben kann. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad in fast allen Lebensbereichen, egal, ob es nun die Medizin, das Arbeitsleben oder die Beziehung zum Partner ist. Ganz besonders gilt das Prinzip, wenn wir über das Thema Geldanlage reden, das traditionell von Aktionismus geprägt ist.
Stellen Sie sich vor, Sie erzählen im Bekanntenkreis, dass Sie von Ihrem stolzen Vermögen in Höhe von 250.000 € über 90 % auf einem Tages- und Festgeldkonto mit einem Zinssatz von 0,50 % respektive 1,00 % liegen haben. Beeindrucktes Schulterklopfen dürfen Sie jedenfalls nicht erwarten. Eher wird man Sie entgeistert anschauen und Dinge sagen wie: “Aber du musst doch dein Geld für dich arbeiten lassen!”. MUSS man? Es ist ja nicht so, dass Geldvermehrung eine einfache Sache wäre. Wenn das so wäre, würde ich hier nicht darüber philosophieren, sondern mit meiner Familie auf den Malediven Cocktails schlürfen. Die Geldanlage ist wie ein Medikament. Es kann Vorteile bringen, ist aber auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden.
Wenn Sie unseren “Finanzjoker” noch nicht kennengelernt haben, dann sollten Sie dies jetzt nachholen. Angelehnt an seine flotten Sprüche und manchmal etwas direkte Ansprache kam mir die Überschrift für diesen Abschnitt in den Sinn. Cash in Form von Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten wirft zwar keine beeindruckende Rendite ab, hat aber einige Vorteile. Ein hohes Cash-Polster macht Sie robust gegenüber unvorhersehbaren Ereignissen, sei es das kaputte Auto, die überraschend hohe Steuernachzahlung oder auch den plötzlichen Unfall mit dem Mietwagen, den Sie in alter Schwaben-Manier natürlich nicht zusätzlich versichert haben, sondern die hohe Selbstbeteiligung in Kauf genommen haben. Schnell verfügbare Liquidität schafft keine Top-Rendite, aber ein hohes Maß an Freiheit und Handlungsfähigkeit - Werte, die nicht so leicht monetär zu beziffern, aber doch unschätzbar wertvoll sind.
Viele Unternehmer wissen schnell verfügbares Kontoguthaben (Liquidität) besonders zu schätzen, weil es Ihnen die Möglichkeit gibt, dann zu investieren, wenn andere es nicht können und Mitarbeiter auch dann noch zu halten und zu bezahlen, wenn es die Auftragslage eigentlich gerade gar nicht hergibt. Die meisten Privatanleger sehen Liquidität dagegen eher als etwas Schlechtes, so als würden sie etwas verpassen, wenn viel Geld niedrig verzinst auf einem Tagesgeldkonto liegt. Wir sollten uns in dieser Hinsicht etwas von Unternehmern abschauen, auch wenn es vielleicht bedeutet, dass wir auf Rendite verzichten oder gar durch Inflation Verluste erleiden. Sehen Sie diese Verluste als den Preis dafür an, jederzeit im Rahmen eines Notfalls oder auch eines persönlichen Wunsches (Eigenheim/Eigentumswohnung) handeln zu können.
Hyperaktivität ist im Bereich der Geldanlage fehl am Platz, denn Sie führt zu Schnellschüssen wie dem Tagesgeldkonto, bei dem wenig später die Zinsen massiv sinken, oder der Lebensversicherung, die unterschrieben wird, weil der Schwager das kürzlich auch so gemacht hat, und der ist ja schließlich Bankkaufmann! Dabei bleibt nach Kosten und persönlichem Zeitaufwand bei genauerem Hinsehen meist nicht viel übrig. Also lieber alles auf dem Girokonto liegen lassen? Natürlich nicht! Eher erst einmal meditieren und in Ruhe überlegen, was in die persönliche Lebensplanung passt und vom Rendite-Nutzen-Verhältnis überhaupt Sinn macht. Wie lange können und wollen Sie Ihr Geld binden? Sind in den nächsten 10 Jahren Ausgaben geplant, für die definitiv Geld gebraucht wird? Und wie viel mehr Rendite bringt die neue Anlage in absoluten Euro-Beträgen überhaupt?
Das Tagesgeldkonto wegen einem Zinsunterschied von 0,20 % zu wechseln, ist nur in wenigen Konstellationen sinnvoll. Wer sein Vermögen dagegen noch bei der Sparkasse mit 0,01 % deponiert hat, für den macht es durchaus Sinn, z. B. zur Moneyou mit 0,50 % zu wechseln. Aufpassen sollten Sie auch bei Festgeldern, bei denen die Zinsen mit ausländischer Quellensteuer belegt sind. Die lässt sich zwar häufig in Deutschland anrechnen, aber oftmals müssen dafür zusätzliche Dokumente vom Finanzamt eingereicht werden. Das nervt und steht gerade bei kleinen bis mittleren Anlagebeträgen in keinem Verhätlnis zum Mehrertrag. Eher würde ich dann schon alles auf dem Moneyou-Tagesgeldkonto belassen und mir den Aufwand für die Kontoeröffnung und das Besorgen der Dokumente sparen.
Sein Geld nicht renditeoptimiert anzulegen, ist keine Schande, auch wenn man oftmals genau das Gegenteil vermittelt bekommt. Aus dem Dilemma niedriger Zinsen und hoher Inflation gibt es keinen einfachen Ausweg. Das kann man nicht häufig und deutlich genug sagen. Wer etwas anderes behauptet, verfolgt vermutlich Eigeninteressen. Das hektische Tagesgeld-Hopping wird Sie nicht retten und auch nicht das leicht höher verzinste Festgeld von WeltSparen, Savedo und & Co. Das heißt nicht, dass Tages- und Festgelder unsinnig sind, aber ein relativ beständiges Tagesgeldkonto (siehe Moneyou) und ausgewählte Festgelder mit einfacher Steuerhandhabung reichen völlig aus. Wer dann noch mit langem Anlagehorizont von 15 Jahren und mehr einen ETF auf den MSCI World bespart, hat mehr richtig gemacht als die meisten anderen.
Wer sich bewusst für mehr Aktivität entscheidet und regelmäßig in Crowdinvesting-Projekte investiert, bei mehreren P2P-Lending-Plattformen anlegt, verschiedenste Tagesgeld-Neukundenangebote nutzt und mit kindlicher Freude die Dividenden einzelner Aktien verbucht, der muss sich nicht schlecht fühlen. Solange er dies im Bewusstsein tut, dass viele seiner Anlageaktivitäten ein vergleichsweise schlechtes Aufwand-Nutzen-Verhältnis aufweisen, ist das völlig in Ordnung. So wie Ihr Nachbar vielleicht jede freie Stunde an seinem Oldtimer schraubt, basteln Sie nach Feierabend genüsslich an einem breit gestreuten Anlageportfolio. Es ist dann mehr Hobby als rationale Anlagestrategie und macht, neben etwas mehr Rendite, vor allem Spaß.
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