19.05.2016 - Stefan Erlich - 0 Kommentare
Die Zinsen sind dank der ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken im Keller und nicht wenige Anleger suchen derzeit verzweifelt nach neuen Anlagemöglichkeiten, mit denen sich über den Ausgleich der Inflation hinaus eine ansehnliche Rendite verdienen lässt. Dabei gibt es viele Möglichkeiten. Eine davon ist das Thema Crowdinvesting. Hierbei leihen Anleger Firmen und teilweise auch Privatpersonen Geld, das für die Umsetzung eines bestimmten Projektes eingesetzt werden soll. Nicht nur die Zinsen sind dabei allerdings deutlich höher, auch das Risiko ist nicht zu verachten.
Crowdinvesting ist keine Wunderwaffe, denn die höheren Zinsen von 5-9 % kommen schlichtweg dadurch zustande, dass der Anleger ein höheres Ausfallrisiko als bei Tages- und Festgeld trägt. Es besteht weder eine Einlagensicherung noch die Aussicht auf Rettung durch den Staat. Und dennoch halten wir diese Form der Anlage für interessant. Das liegt vor allem daran, dass sie dank verschiedener Crowdfunding-Plattformen eine vergleichsweise breite Streuung über viele Projekte und Kreditnehmer erlaubt. Mein privates Portfolio z. B. besteht derzeit aus über 30 Projekten, sodass mir sogar der Ausfall eines Projektes pro Jahr relativ egal sein kann, da die Verluste durch die höheren Zinsen wieder ausgeglichen werden.
Vielen Anlegern ist Crowdinvesting allerdings suspekt - aus nachvollziehbaren Gründen. Vielleicht wird sich diese Skepsis in einigen Jahren auch als weise Voraussicht herausstellen. Auch wir können leider nicht in die Zukunft schauen und die Ausfallquote der Projekte prognostizieren. Dennoch möchten wir uns des Themas stärker annehmen, auch um als eine Art Crash-Test-Dummy für andere möglicherweise kostspielige Fehler zu begehen. Wir haben uns daher dazu entschlossen, im Rahmen eines Crowdfunding-Tagebuches jeden Monat genau 1.000 € in verschiedene Crowdinvesting-Projekte zu investieren und darüber monatlich zu berichten. Wir investieren dabei unser eigenes Geld und tragen das volle Kreditrisiko selbst. Geht ein Projekt pleite, verlieren wir unser eigenes Erspartes.
Für dieses Echtgeld-Portfolio haben wir folgende Kriterien aufgestellt:
Die Kriterien werden sich sicherlich im Laufe der Zeit weiterentwickeln, sodass diese nicht ganz so fix sind wie hier dargestellt. Primär wichtig ist uns die Diversifikation über möglichst viele Projekte, Projekttypen und auch Crowdfunding-Plattformen, um mögliche Ausfälle besser auffangen zu können. Die Erfahrung zeigt einfach, dass Ausfälle langfristig nicht vermeidbar sind, genauso wie Bankinsolvenzen immer wieder vorkommen. Beim Crowdfunding gibt es nur leider kein Notfallnetz (Einlagensicherung), das einen potentiell sanfter fallen lässt. Beachten Sie dazu auch unsere Risikohinweise zum Crowdinvesting.
Im Mai haben wir nun die ersten 1.000 € investiert, und zwar gestreut auf drei Projekte mit ganz unterschiedlichem Charakter. Unser Echtgeld-Portfolio weist damit einen Wert von 1.000 € mit einer gewichteten (erwarteten) Durchschnittsrendite von 6,31 % pro Jahr auf. Geht alles gut, wäre das in Zeiten von Niedrig- und Negativzinsen eine ansehnliche Rendite. Fällt uns dagegen nur ein Projekt aus, schauen wir ganz schön doof in die Röhre. Es müssen also langfristig deutlich mehr Projekte ins Portfolio. Die nächsten Investments folgen daher Mitte Juni diesen Jahres.
Interessant sind die deutlich unterschiedlichen Laufzeiten. Während wir uns bei bettervest und LeihDeinerUmweltGeld für 8 bzw. 9 Jahre binden müssen, ist die Laufzeit bei Exporo auf etwa 1,5 Jahre begrenzt. Ob das nun ein Argument für die Projekte von Exporo ist, darüber möchten wir an dieser Stelle noch gar nicht urteilen. Denn die Frage, wie so kurze Laufzeiten mit einer so attraktiven Rendite zustandekommen können, ist nicht ganz unberechtigt und wohl auch nicht so einfach zu beantworten.
Bei diesem Projekt von der Crowdfunding-Plattform Exporo handelt es sich um eine Bestandsimmobilie in Berlin, die vom Kreditnehmer aufgekauft wurde und nun renoviert werden soll. Dabei entstehen eine Reihe von Eigentumswohnungen, die verkauft werden sollen (u. a. an die bestehenden Mieter). Grund für das Investment in dieses Projekt war schlichtweg, dass bei Exporo zum damaligen Zeitpunkt nur dieses Projekt offen für Neuanlagen war und uns die relativ kurze Laufzeit als attraktiv erschien. Auch der Standort in Berlin spricht aus unserer Sicht für das Projekt, erlebt die Stadt doch derzeit einen regelrechten Boom.
Der Investmentprozess über Exporo ging recht schnell über die Bühne. Ich hatte bereits im Rahmen meines privaten Portfolios bei Exporo investiert, sodass ich den Prozess schon kannte. Wie üblich mussten einige Häkchen gemacht und Fragen beantwortet werden. Das ist aber leider (?) teilweise so vom Gesetzgeber gefordert, sodass dies nicht als Kritik an Exporo zu verstehen ist. Erfreulicherweise bietet Exporo sogar das Lastschriftverfahren an, sodass wir die 500 € direkt einziehen lassen konnten. Das funktionierte auch völlig reibungslos. Kurz nach dem Investment kam eine E-Mail mit den Vertragsdaten im Anhang, wobei uns die hohe Anzahl der PDF-Anhänge auffiel (ganze 6 Stück!). Das geht sicher auch einfacher.
Bei diesem Projekt von bettervest haben wir ehrlich gesagt zunächst etwas gezögert. Es handelt sich hier um ein Folgeprojekt eines Pilotprojektes, in das ich persönlich bereits im März 2015 investiert habe. Damals sollte ein erster Solarcontainer nach Afrika verschifft und dort aufgestellt und betrieben werden. Das Projekt läuft bisher ohne nach außen hin erkennbare Probleme und auch die erste Rate wurde pünktlich zurückgezahlt. Nun sollen weitere zwei Container finanziert, verschifft und in Djoliba (Mali) aufgestellt werden. Ich kenne den Gründer hinter dem Projekt aus unsere Gemeinschaftsbüro in Frankfurt persönlich und kann nichts Negatives über ihn berichten.
Warum wir etwas gezögert haben, liegt in der Art und dem Ort des Projektes begründet. So sind Unternehmungen dieser Art in Entwicklungsländern wie Mali häufig mit gewissen Problemen verbunden, die man mit deutschen Augen nur schwer erkennen und bewerten kann. Gerade das Thema Betrieb, Wartung und Instandhaltung wurde in der Vergangenheit nur allzu gern vernachlässigt. Das muss hier nicht der Fall sein, aber wir haben zunächst diskutiert, ob es überhaupt Sinn macht, so ein Projekt mit etwas höherem Risiko überhaupt mit in unser Echtgeld-Portfolio für Kritische-Anleger.de aufzunehmen. Im Endeffekt haben wir uns dafür entscheiden, auch um dem Gedanken der Diversifikation konsequent zu folgen.
Die Idee des Projektes ist es, Standard-Container mit ausklappbaren Solarpanels und einem großen Batterie-basierten Energiespeicher auszustatten und das Ganze in Regionen von Entwicklungsländern aufzustellen, wo noch relativ kostspielig per Diesel-Generatoren Strom erzeugt wird. Ein lokaler Partner kauft den Container im Miet-Kauf-Verfahren und erwirtschaftet durch den Verkauf des Stromes an die lokale Bevölkerung wiederum Einnahmen. Der lokale Partner (EMS – Energie SARL) ist zudem laut Projektbeschreibung für die Wartung der Anlage zuständig, sodass der Betrieb hoffentlich auch langfristig gewährleistet sein wird. Insgesamt ist das Ganze ein durchaus interessantes Konzept mit dem gewissen Entwicklungshilfe-Touch.
Der Anlageprozess über bettervest lief auch hier relativ einfach ab. Da mein persönliches Investment hier schon etwas länger her war, mussten die (scheinbar neu eingeführten) Fragen zur Finanzerfahrung und dem finanziellen Vorwissen noch beantwortet werden. Die Darstellung ist bettervest leider nicht sonderlich gut gelungen. Das geht definitiv noch besser. Grundsätzlich dürfte die Anlage aber auch weniger versierten Benutzern keine Probleme bereiten. Leider bietet bettervest kein Lastschriftverfahren an, weshalb wir den Betrag nach dem Investment manuell überweisen mussten. Einige Minuten nach dem Abschicken des Online-Antrags kam auch direkt die Anlagebestätigung mit drei angehängten PDFs per E-Mail - sehr schön.
Bei diesem Projekt von LeihDeinerUmweltGeld geht es um die Finanzierung eines zusätzlichen Blockheizkraftwerkes (BHKW) und einer Solaranlage für den bereits seit 2010 bestehenden Bürgerenergiepark mit Biogasanlage in Eberswalde (Brandenburg). Die Solaranlage soll laut Projektbeschreibung und -video die elektrische Energie bereitstellen, die zum Betrieb der existierenden Pumpen und Rührwerke notwendig ist. Der Herr im Video spricht dazu von einer Insellösung, allerdings ist keine Rede von einer Speicher- oder Pufferlösung, denn nur so ließe sich die notwendige Energie auch zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen. Eine wirkliche Insellösung scheint es daher also nicht zu werden, was das Projekt an sich aber nicht unbedingt schlechter macht.
Als angenehm empfanden wir hier, dass die Wirtschaftlichkeitsrechnung im standardisierten Format von LeihDeinerUmweltGeld zur Verfügung gestellt wurde und auch die Jahresabschlüsse der Betreiberfirma von 2013 und 2014 ließen sich herunterladen. Tolle neue Erkenntnisse ergaben sich daraus jetzt nicht, aber dieses gewisse Maß an Transparenz schafft zumindest Vertrauen, was bei der Geldanlage ja nicht ganz irrelevant ist. Entscheidend ist am Ende des Tages aber natürlich, ob der Eigner das Projekt ohne Probleme umsetzt und den Kredit inkl. Zinsen zurückzahlt. Dies lässt sich auch nach langer Analyse der bereitgestellten Dokumente nicht zuverlässig vorhersagen. Die Streuung über möglichst viele Projekte ist da aus unserer Sicht der bessere Schutz vor Verlusten.
Der große Vorteil von LeihDeinerUmweltGeld ist im Übrigen, dass hier, wie von Tages- und Festgeld gewohnt, die deutsche Abeltungsteuer inkl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer automatisch an das Finanzamt abgeführt wird. Dadurch entfällt theoretisch die Angabe der Kapitalerträge in der Anlage KAP der persönlichen Steuererklärung. Die meisten anderen Plattformen zahlen die Zinserträge zu 100 % (also ohne Steuerabzug) aus, sodass die Angabe und Versteuerung in der Steuererklärung in jedem Falle vorzunehmen ist. Bei einem so breit gestreuten Portfolio, wie wir es hier bauen wollen, ist der Vorteil natürlich nicht ganz so groß, da wir die Zinserträge aus den anderen Investments ohnehin angeben und versteuern müssen.
Auch bei LeihDeinerUmweltGeld (LDUG) verlief der Anlagevorgang relativ unspektakulär. Es wurden die leider notwendigen Fragen zur Finanzerfahrung gestellt, wobei die Felder mit meinen Antworten aus einem früheren Investment vorbefüllt waren, was das Ganze etwas abgekürzt hat. Wer hier zum ersten Mal investiert, muss sich leider etwas durchquälen, was allerdings nicht LDUG, sondern dem Gesetzgeber anzulasten ist. Nach dem Absenden des Formulars kam innerhalb von ein paar Sekunden die Bestätigungsmail mit den Vertragsunterlagen (nur 1 PDF-Anhang). Anschließend musste noch der Anlagebetrag überwiesen werden, da leider auch hier kein Lastschriftverfahren angeboten wird. Insgesamt waren wir mit dem Prozess aber sehr zufrieden.
Wir befinden uns derzeit noch am Anfang unseres Echtgeld-Portfolio-Aufbaus. Mit nur drei Projekten besteht kein ausreichender Schutz gegenüber möglichen Projektausfällen. Im Juni werden wir daher wieder in mindestens 3 Projekte investieren, um das Ganze breiter aufzustellen. Mit den Projektbeschreibungen der drei Crowdfunding-Plattformen waren wir überwiegend zufrieden. Im Detail gab es allerdings fast überall noch Verbesserungspotential.
Die Anlagen selbst waren dank des nicht notwendigen Postidents bzw. Videoidents zügig erledigt. Alle Unterlagen kamen per E-Mail und nicht per Post, was sicherlich Geschmackssache ist. Uns stört der elektronische Weg nicht, zumal uns dieser etwas Verwaltungsaufwand erspart. Einige eher konservative Anleger könnten sich daran aber u. U. stören.
Insgesamt sind wir mit den Prozessen aller drei bisher genutzten Crowdfunding-Plattformen recht zufrieden gewesen. Entscheidend wird langfristig aber natürlich sein, ob sich die hohen Renditenversprechen in der Praxis auch halten lassen. Mit der bereits anfangs genannten breiten Streuung glauben wir aber, uns ausreichend gegen mögliche Verluste schützen zu können.
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