03.05.2021 - Stefan Erlich - 18 Kommentare
Am 14.04.2021 war es wieder einmal soweit: Etwa 2 Wochen nach Abgabe der Steuererklärung für meine Söhne ging die jährliche Rückerstattung der Kapitalertragsteuer auf unserem Konto ein. Der ein oder andere kennt dieses kindliche Gefühl der Freude vielleicht, wenn das Finanzamt einem Geld überweist. Freudig überwies ich die Beträge weiter auf die Depots unserer Kinder (mehr zu unserer Anlagestrategie finden Sie in diesem Video). Zwei Tage später stand ich jedoch vor dem Laptop und bekam Zweifel: "DAX erreicht neues Allzeithoch!" und "Aktienmärkte deutlich überbewertet" las ich da und war mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob wir für unsere Kinder weiterhin in Aktien investieren sollten. So wie mir dürfte es aktuell wahrscheinlich vielen gehen. Lassen Sie mich daher einmal den Versuch einer Antwort auf die Frage starten, ob Aktien (in Form von breit diversifizierten ETFs!) als Investment angesichts der Höchststände überhaupt noch taugen.
Fragt man die üblichen ETF-Gurus, so ist die Antwort klar: Die Aktienmärkte gehen grob gepeilt seit etwa 100 Jahren eigentlich immer bergauf, nur "kurz" unterbrochen von einigen Rezessionen und Crashs. Egal wann man im letzten Jahrhundert investiert hätte, man hätte bis heute immer eine deutlich positive Rendite eingefahren, sagen sie. Klingt logisch, ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn rückblickende Betrachtungen mit historischen Daten sind zwar im Finanzbereich gang und gäbe, aber durchaus problematisch. Die Finanzmärkte folgen keinen Naturgesetzen wie die Phyisik oder Elektrotechnik, sondern verändern sich stetig. DIe Märkte von 1930 sind ganz andere als die von heute und so sollten wir Anleger uns darauf beschränken, das letzte Jahrhundert lediglich als eine mögliche Entwicklung für die Zukunft zu betrachten, weniger als Blaupause.
Doch was bleibt von der Attraktivtät der globalen Aktienmärkte, wenn wir uns nicht auf historische Renditen stützen können? Aus meiner Sicht sind es vor allem drei Faktoren:
Sofern Sie sich nicht zur kleinen Gruppe der UnternehmerInnen mit eigener Firma zählen, werden Aktien die wahrscheinlich direkteste Möglichkeit sein, an der Entwicklung unserer Wirtschaft teilzuhaben. Letztlich sind Aktien nichts anderes als Unternehemensanteile. Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinne, werden diese (je nach Firmenpolitik) in Form von Dividenden an die AnteilseignerInnen (AnlegerInnen) ausgeschüttet. Sind die Aussichten positiv, wird auch der Aktienkurs steigen. Gleichzeitig bedeutet diese Teilhabe aber auch: Geht es einmal bergab, rauscht Ihr Portfolio mit ins Tal der Tränen. Das gehört zur Aktienanlage genau so dazu wie die tollen Renditen, von denen alle träumen.
Diversifikation ist der zweite Grund, warum ich an Aktien-ETFs für meine Kinder festhalte. In dem von uns besparten ETF (Vanguard FTSE All World) liegen Aktien von über 3.000 Unternehmen aus der ganzen Welt. Gehen davon einige wenige pleite, erzeugt das bei mir höchstens ein gleichgültiges Achselzucken (sofern ich davon überhaupt etwas mitbekomme). Geht hingegen meine Bank pleite, bei der ich mein Vermögen in Festgeld angelegt habe, sind nicht nur schnell die Medien mit Panikmeldungen gefüllt, sondern auch mein ruhiger Schlaf dahin. Diversifikation ist meiner Erfahrung nach der am meisten unterschätzte Aspekt der Geldanlage bei privaten InvestorenInnen.
Zum Schluss überzeugen Aktien-ETFs auch durch ihre niedrigen Kosten. Unser ETF verlangt derzeit z. B. nur 0,22 % des angelegten Kapitals pro Jahr an Gebühren und der Trend geht weiter Richtung Süden. So sind einige ETFs auf den Weltindex MSCI World mittlerweile sogar für deutlich unter 0,20 % pro Jahr zu haben. Vergleichen Sie dies einmal mit den Kosten, die bei Lebensversicherungen, Crowdinvesting und auch Immobilienkäufen in Form von direkten oder indirekten Gebühren fällig werden. Das ist vor allem deswegen relevant, weil die Kosten mit zu den wenigen Stellschrauben gehören, die wir AnlegerInnen durch die richtige Wahl des Anbieters und Produktes aktiv beeinflussen können.
Machen wir uns aber nichts vor: Aktien bleiben ein risikoreiches Investment, egal mit welchen Argumenten ich hier komme, denn die Zukunft kennen weder die ETF-Gurus noch ich. Wer hier investiert, sollte einen langen Atem mitbringen (20+ Jahre) und sich bewusst sein, dass das Portfolio innerhalb weniger Tage auch mal nur noch 50 % des ursprünglich angelegten Geldes wert sein kann. Wer das nicht ertragen kann oder will, bleibt besser beim Tages- und Festgeld, auch wenn das wieder andere Nachteile mit sich bringt.
Günstige Depots zum ETF-Sparen im Vergleich
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Ich bin dazu übergegangen, Festgeld als "Treppenstufensystem" anzulegen, allerdings z.Zt. nur in einem 3-Jahres-Rhythmus (in der "stillen" Hoffnung auf einen kleinen Ruck nach vorne in naher Zukunft).
Grundsätzlich kann ich die Verteilung von Vermögen auf verschiedene Anlageformen (Tages-Festgeld) und ETF's und nach Möglichkeit diese sogar in verschiedene Länder gut nachvollziehen. Leider fallen alle Angebote mit Quellensteuer oder geringer(er) Bonität der Bank und/oder des Landes raus, da mir hier eine Investition "den ruhigen Schlaf" rauben würde. Aber auch scheinbar "sichere Angebote" wie Festgeld bei der Greensill-Bank haben mich gelehrt bzw. eigentlich bewiesen: die bombensichere Investition gibt es nicht und hätte ich mein ganzes Geld dort gehabt...
Aber interessieren würde mich:
die sogenannten "nachhaltigen ETF's" scheinen an Bedeutung auf dem Markt zuzunehmen. Was halten Sie/Ihr davon? Aber was genau bedeutet "nachhaltig" eigentlich??? Aspekte der sozialeren und verantwortlicheren Betriebsführung oder effektiv ressourcenschonende und Klimaschutz berücksichtigende Produktion? Und wie sieht es mit der Vielfältigkeit der Branchen und Länder aus? Nun, mit einem MSCI-World können sie mutmaßlich nicht mithalten, aber es gibt durchaus auch schon sehr große ETF's. Wie würde Sie/Ihr die Investitionschancen darin bewerten?
Erst einmal besten Dank für den sehr informativen Content! Mich würde Deine Meinung zur Anlage in den Weltfonds AReRo insbesondere für Kinder interessieren. Ist das eine gute Möglichkeit, mehr Sicherheit /Stabilität / weniger Volatilität in's Depot zu bekommen? Oder sind die Rendite-Nachteile zu gewichtig? Eignet er sich dann eher für Leute ab ihren 60ern? https://www.arero.de/
Vielen Dank vorab für Deine Einschätzung!
Es gibt ja verschiedene ETFs, aktuell ziehe ich zukunftsträchtige, wie Green Energy, Robotics aber auch eGames den klassischen Aktien ETFs vor. Desweiteren sollte jeder auch mal bei den Rohstoff ETFs reinschauen, ohne die gibt es nichts von allem. Da die Rohstoffe relativ zu Aktien sehr günstig sind kann das eine gute mittelfristige Anlage sein. Auf keinen Fall aber bis zum bitteren Ende halten. :o)
@Sylvia
wie schon @Thomas meinte würde ich die Hälfte vom Geld in Lebensqualität und gesunde Lebensmittel investieren, den Rest in deutsche Dividendentitel mit >4% Rendite und in Immobilien Crowdinvestment mit kurzen Laufzeiten mit 5-6% Ausschüttung anlegen.
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme, die die eigenen Überlegungen widerspiegelt.Vielleicht könnten Sie auch mal Ihre Meinung bezüglich nachhaltigen ETF's mitteilen, gerade im Hinblick auf die langen Laufzeiten und für die Kinder und Enkel wäre das interessant. Danke und viele Grüße
Danke, Herr Erlich! Genauso für Kinder/Enkel, für mich (75) Tages-/Festgelder bei diversen Banken/Weltsparen...
Ja, das ist schon so i.O., aber wie lege ich für mich z.B. 40 T€ mit 70 Jahren neu an?
Ich würde mit der notwendigen Vorsicht , einen Teil in Aktien (ETF) und der andere Teil in Tages - oder Festgeld (1 Jahr) investieren.
@Sylvia
Aktien und ETF´s sind etwas für eine Lanzeitanlage, also 5 oder 10 Jahre aufwärts. An Ihrer Stelle würde ich z.B. über weltsparen oder zinspilot im europäischen Ausland eine Festgeldanlage wählen.
Außer Sie wären arg risikofreudig und stecken die 40 in 4 verschiedene ETF´s (um das Risiko noch weiter zu streuen). In Ihrem Alter würde ich das aber nicht mehr riskieren.
Ich bin aber nur eine Privatperson und kein gewerblicher Anlagenberater!
Hallo,
das hängt ganz entscheidend davon ab, wie es finanziell bei Ihnen aussieht.
Ich gehe davon aus, dass es Ihnen da prima geht, sonst kämen Sie vermutlich gar nicht auf die Idee, das Geld in ETF anzulegen.
Wenn Sie jemanden als Erben haben, dann würde ich das machen.
Viele Grüße,
F.O.
@Silvia
Ich würde das Geld nicht mehr lange Anlegen. Geniesen Sie lieber das Leben und benutzen Sie das Geld, anstatt sich mit mit Geldanlagen zu beschäftigen. Holen Sie sich ein gutes E-Bike und lernen sie Deutschland über die vielen tollen Fahrradrouten kennen. Kaufen Sie gute und leckere Lebensmittel vom Biohof. Und wenn Sie zu viel Geld übrig haben, machen Sie sich lieber Gedanken, wie kann ich unseren Enkeln eine Lebenswerte Zukunft hinterlassen? Investieren in Naturschutz, Energiewende und Energiesparen.
Warum nicht einen Teil in eine Festgeldleiter statt nur in einjähriges Festgeld.
Im Internet gibt es genügend seriöse Vermögensberater, die auch Kurse zum Thema Geldsicherheit und Vermögensaufbau anbieten. Ich bin auch fast Rentnerin und habe geplant, mich damit zu beschäftigen. Ich denke, man muss auch verstehen, in was man investiert.
Genau meine Denke!
Dieser Börsenhype wird doch nur mit Zentralbankgeld finanziert! Da steckt doch keine reale Wirtschaftskraft dahinter!
Und wegen des Klimawandels können 'wir' sowieso nicht weitermachen wie bisher!
Spannende Zukunft ...
Mir auf`s Konto schicken, oder besser gleich in bar vorbeibringen!Vielen Dank und beste Grüße von Opa Rolf
Niemand kann die Zukunft verlässlich vorhersehen. Man kann jedoch aus der Vergangenheit versuchen zu lernen.
Das gilt auch für die persönliche "Anlagestrategie".
Und "persönlich" ist der Aspekt wie man mit Finanzen umgeht.
Wer mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde hat ein anderes Verhältnis zu Finanzen, als jemand der sich das "Vermögen" selbst hart erarbeitet hat.
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