19.11.2014 - Stefan Erlich - 1 Kommentar
„Inflation!”, rufen die Gold-Anhänger und warnen täglich vor dem nur wenige Tage entfernten Untergang unseres Wirtschaftssystems. „Deflation!”, ruft dagegen Mario Draghi, aktueller Präsident der Europäischen Zentralbank, und kündigt schon einmal Maßnahmen zur Stimulierung des seiner Meinung nach zu niedrigen Preisanstieges an. Für den Durchschnittsanleger ist dieses Wirrwarr an Informationen kaum noch zu bewältigen. Viele fühlen sich daher verunsichert und suchen, auch getrieben von den historisch niedrigen Zinsen, nach alternativen Geldanlagen mit greifbarem Wert. Eine eher ungewöhnliche Anlageklasse sind hier die Streichinstrumente, z. B. Violinen, Celli oder auch Bratschen.
Als der berühmte Geigenbaumeister Antonio Stradivari 1737 im italienischen Cremona starb, ahnte wohl noch niemand, wie viel die von ihm gebauten Instrumente einmal wert sein würden. Mindestens 45 Millionen EUR erwarten zwei Auktionshäuser im Juni 2014 für eine seiner Bratschen. Sicherlich ein Extrembeispiel (es existieren nur noch 10 Bratschen von Stradivari), doch auch die 2011 versteigerte Violine mit dem klangvollen Namen Lady Blunt muss sich mit 15,9 Millionen USD nicht verstecken. Ob derartige Preise gerechtfertigt sind oder nicht, darüber kann man sicherlich streiten. Fakt ist jedoch, dass es einen boomenden Markt für Streichinstrumente gibt, auch fernab der hochpreisigen Spitzeninstrumente des Antonio Stradivari.
Eine Geldanlage mit Streichinstrumenten beruht letztlich auf der Erwartung höherer Preise in der Zukunft, denn die Rendite ergibt sich nur aus der Differenz von Ankaufs- und Verkaufspreis (abzüglich möglicher Kosten). Anders als z. B. eine vermietete Wohnung oder eine Solaranlage generiert eine Violine für den Eigner aber keine Einnahmen, sodass wir hier von einem Investment mit spekulativem Charakter sprechen. Wir halten diese Form der Geldanlage aber dennoch für interessant, auch weil die historische Preisentwicklung in Verbindung mit den speziellen Eigenschaften des Investments durchaus einzigartig ist.
Auf Basis der in dem Fachbuch Taxe der Streichinstrumente ("Fuchs-Taxe") von Albert Fuchs veröffentlichten Daten lässt sich z. B. für historische Violinen und den Zeitraum von 1978 bis 2008 eine durchschnittliche Rendite von 8,03 % (italienische Violinen) bzw. 5,78 % (französische Violinen) berechnen. Das allein wäre aber noch nicht sonderlich beeindruckend (Der DAX erzielte in diesem Zeitraum 7,34 %.), läge der maximale Verlust hier nicht bei überraschenden 0 % (Zum Vergleich: -44 % maximaler Verlust beim DAX). Nicht weniger interessant sind Violinen neueren Baujahres (ab 1995), bei denen im Zeitraum von 2000 bis 2008 eine Wertsteigerung von durchschnittlich 9,33 % pro Jahr beobachtet werden konnte. Auch hier gab es kein einziges Jahr mit Wertminderungen.
Neben den guten historischen Renditen und dem bisher geringen Verlustpotential gefallen uns Streichinstrumente aber vor allem auch, weil sie Werte außerhalb des regulären Papiergeldsystems darstellen. Anders als eine Festgeld-Anlage wird eine Geige stets einen gewissen Wert haben, egal, ob im Rahmen unseres jetzigen oder eines zukünftigen Währungssystems. Natürlich garantiert niemand, dass dieser Wert immer über dem Kaufwert liegen wird. Es ist aber gerade die Gewissheit, unabhängig von Staat, Zentralbank und Wirtschaftssystem überhaupt einen Wert in den Händen zu halten, die entscheidend ist.
Darüber hinaus sind Streichinstrumente aber auch deswegen so interessant, weil sie als Wertgegenstände vergleichsweise mobil sind. Ähnlich wie physisches Gold kann eine Violine oder Bratsche ohne Probleme und sehr günstig von einem Ort an den anderen transportiert werden. Immobilien, viele Kunstwerke und zum Teil auch Oldtimer sind dagegen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt mobil.
Dazu kommt die geringe Korrelation zu anderen Investmentklassen. Während die Aktien-, Rohstoff- und Anleihenmärkte in der Vergangenheit recht starke Abhängigkeiten gezeigt haben, entwickelten sich die Preise von Streichinstrumenten doch eher unabhängig von diesen Märkten. Für ein diversifiziertes Portfolio aus verschiedenen Anlageklassen erscheinen Violinen & Co. daher als ideale Ergänzung.
So schön sich die historischen Renditen auch anhören mögen, nicht alle Instrumente steigen gleichermaßen im Wert. Entscheidend für den Erfolg einer Anlage in Streichinstrumente ist die Wahl der richtigen Qualitätsstufe. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, u. a. der Erbauer, die geografische Herkunft, das Fertigungsjahr, der aktuelle Zustand, der Klang, das Aussehen und auch die Historie der Persönlichkeiten, die das Instrument gespielt haben. Für den Laien sind diese Punkte kaum oder gar nicht vernünftig einzuschätzen, weshalb Anleger vor dem Kauf stets das Gespräch mit einem oder mehreren Experten suchen sollten.
Aufgrund der medialen Berichterstattung erfährt die breite Öffentlichkeit vor allem im Zusammenhang von Versteigerungen der 600 bis 700 noch existierenden Instrumente des Antonio Stradivari von den interessanten Renditen bei Streichinstrumenten. Tatsächlich sind die von ihm gebauten Instrumente allerdings eher als luxuriöse Spitze des Eisberges zu sehen, denn über diese hinaus gibt es eine ganze Reihe von alten und modernen Geigenbauern mit qualitativ sehr hochwertigen Instrumenten, die über die nächsten Jahre und Jahrzehnte attraktive Wertsteigerungen erwarten lassen.
Zu den weniger bekannten historischen Geigenbauern gehören Guarneri del Gesù, Giambattista Guadagnini, Jean-Baptiste Vuillaume, Stefano Scarampella, Giuseppe Pedrazzini oder auch Annibale Fagnola, nur um eine kleine Auswahl zu nennen. Darüber hinaus gibt es aber auch zeitgenössische Geigenbauer wie Kolja Lochmann, Davide Sora, Francesco Toto oder auch Alessandro Ciciliati, die mit ihren Instrumenten bei Kennern einen sehr guten Ruf genießen. Hier lassen sich qualitativ hochwertige Violinen auch schon ab etwa 25.000 EUR erstehen. Weitere Meister und eine Auswahl ihrer Werke finden Sie im Folgenden.
Laufen Sie daher nicht in das nächstgelegene Musikgeschäft, nur um sich schnell eine Geige in die Wohnzimmervitrine stellen zu können. Damit werden Sie zwar sicherlich auch Ihre Freude haben, jedoch höchstwahrscheinlich nicht im Sinne eines langfristigen und rentablen Investments. Es spricht an sich nichts gegen den Kauf auf eigene Faust, jedoch sollte dann ein gewisses Grundwissen vorhanden sein und das Gespräch mit Experten gesucht werden. Darüber hinaus gibt es aber auch spezialisierte Anbieter wie die VIOLIN ASSETS GmbH, die gezielt Instrumente an Anleger vermittelt und sowohl das nötige Wissen als auch das so entscheidende Netzwerk dafür hat.
Nicht unwesentlich für die Entwicklung des Instrumentes kann im Übrigen auch die Art der Nutzung sein. So ist die eine oder andere Violine sicherlich auch deswegen berühmt (und wertvoll) geworden, weil sie über Jahre hinweg von einer berühmten Violinistin oder einem berühmten Violinisten gespielt wurde. Natürlich hat nicht jeder Zugang zu entsprechenden Persönlichkeiten, doch auch Nachwuchstalente und weniger bekannte Musiker können helfen, die Geschichte eines Instrumentes zu formen.
Von der potentiellen Wertsteigerung einmal abgesehen, dürfte zudem die Möglichkeit, das eigene Investment (=Instrument) an einen talentierten Musiker zu verleihen und von diesem spielen zu lassen, für viele Anleger einen interessanten nichtmonetären Zusatznutzen bringen. Die Deutsche Stiftung Musikleben vermittelt zum Beispiel Nachwuchstalente an Eigner hochwertiger Violinen und auch die VIOLIN ASSETS GmbH verbindet bei Interesse Anleger und Musiker, um die Instrumente nicht in dunklen Kammern ungenutzt zu lassen.
Rendite gibt es nicht ohne Risiko. Dieser Zusammenhang lässt sich auch mit noch so schönen und klangvollen Streichinstrumenten nicht auflösen, denn Investments in Violinen & Co. sind zunächst einmal spekulativer Natur, auch wenn die historische Preisentwicklung vielversprechend aussehen mag. Die Vergangenheit kann ein Indikator für die zukünftige Entwicklung sein, jedoch keine Garantie. Wir möchten daher im Folgenden auch klar die Risiken einer solchen Anlage benennen, denn nur wer die Risiken kennt, kann letztlich auch mit ihnen umgehen.
Die von vielen konservativen Anlegern mittlerweile als selbstverständlich erachtete Einlagensicherung ist bei einer Geldanlage mit Streichinstrumenten nicht vorhanden. Theoretisch besteht daher die Möglichkeit eines Totalverlustes (z. B. durch Zerstörung oder Diebstahl). In der Praxis ist ein solcher Totalverlust allerdings unwahrscheinlich, denn eine Violine wird in der Regel pfleglich behandelt und besitzt zudem stets einen gewissen (Rest-)Wert. Eher relevant sind daher kleinere Schäden und die damit verbundenen Wertminderungen. Besonders bei sehr wertvollen Instrumenten ist aber der Abschluss einer Versicherung (Vollkasko) ratsam, die mit jährlich 0,3 % bis 0,9 % des Marktwertes zu Buche schlägt und im Ernstfall sogar einen Totalverlust abfängt.
Wichtig zu wissen ist auch, dass mögliche Wertsteigerungen zunächst einmal nur auf dem Papier bzw. in den Köpfen der Marktteilnehmer existieren. Für die Realisierung eines Gewinns ist aber erst ein entscheidungswilliger Käufer zu finden, der den anvisierten Preis auch tatsächlich bereit und fähig ist zu zahlen. Zudem müssen Gebühren für Auktionshäuser und andere Beteiligte (Gutachter, Rechtsanwälte etc.) mit in die Gesamtrechnung einkalkuliert werden. Wer daher mit dem Gedanken spielt, Geld in ein Streichinstrument zu investieren, sollte sich der Langfristigkeit und Illiquididät sowie der möglichen Transaktionskosten des Investments bewusst sein. Einen Käufer mit ausreichender Zahlungsbereitschaft zu finden, kann Monate oder sogar Jahre dauern.
Ein weiterer Punkt ist die Gefahr von Fälschungen. Wer ohne Erfahrung und Wissen auf eigene Faust ein Instrument erstehen möchte, ist dabei automatisch einem höheren Risiko ausgesetzt als jemand, der sich von angesehenen Experten beraten lässt. Dass in diesem Markt auch schwarze Schafe unterwegs sind, zeigt der Fall Dietmar Marchold (siehe DER SPIEGEL 19/2012), der über Jahre hinweg sogar Banken hinters Licht führte. Wir raten daher dazu, vor dem Kauf unabhängige Gutachten einzuholen und sich nicht auf die Meinung eines einzelnen Experten zu verlassen.
Letztlich sind Streichinstrumente als Investment vor allem etwas für vermögende Menschen mit langem Atem und einer gewissen Leidenschaft für klassische Musik. Denn nur wer es sich leisten kann, fünf- bis sechsstellige Beträge zur Ergänzung eines bestehenden Portfolios in ein Instrument zu investieren, hat auch die (finanzielle) Ruhe, um sich über 10 Jahre und mehr auf Konzerten an seiner von Nachwuchstalenten gespielten Violine zu erfreuen, ohne dabei an einen Verkauf denken zu müssen. Rendite sollte bei dieser Form der Geldanlage keine vordergründige Rolle spielen. Für Kleinanleger mit geringem Vermögen und vergleichsweise hohem Bedarf an liquiden Mitteln ist diese Anlageklasse daher ungeeignet.
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Sehr geehrte Damen und Herren, Ich bin Geigerin. Ihre Betrachtung von Musikinstrumenten als Renditeanlage finde ich einfach nur obszön. Auch Stradivari baute seine Geigen für Musiker, die damit ihr täglich Brot verdienen. Selbst die erfolgreichsten Solisten in der heutigen Zeit können sich die exorbitanten Preise nicht leisten, benötigen diese Instrumente aber zur Berufsausübung. Instrumente müssen gespielt werden, damit sie ihren Klang behalten. Ein Instrument ist für den Künstler wie ein eigenes Kind. Eine Leihgabe ist kein Ersatz, sie kann immer wieder zurückgefordert werden, siehe Frank Peter Zimmermann, und stürzt den Künstler in ein wahres Dilemma. Musikinstrumente sind keine Renditeobjekte: für den musizierenden Künstler haben sie alle eine eigene Seele! Sie sollten diesem Geldwahn bei den Streichinstrumenten nicht noch Vorschub leisten. Mit freundlichen Grüßen,Charlotte Pilhatsch
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