15.01.2023 - David Stahmann - 7 Kommentare
Die wenigsten dürften wissen, dass es seit 2011 eine „Ombudsstelle für Investmentfonds“ gibt. Dieser wurde vom „Bundesverband Investment und Asset Management“ eingerichtet, einem Verband von Investmentgesellschaften, die rund 95 Prozent des deutschen Fondsmarkts abdecken. Die Ombudsstelle wurde 2017 vom Bundesjustizministerium als private Verbraucherschlichtungsstelle im Finanzbereich anerkannt und bietet nach eigener Aussage die Möglichkeit, „[…] Streitigkeiten, z.B. mit einer Fondsgesellschaft, über Ihren offenen oder geschlossenen Fonds, Altersvorsorgevertrag auf Fondsbasis oder das Depotgeschäft außergerichtlich klären [zu] lassen. Der Fondsombudsmann kann bindende Schiedssprüche bis zu 10.000 Euro erlassen oder hilft mit einer Empfehlung weiter“.
Warum erzähle Ich Ihnen davon? Weil ich im Laufe des vergangenen Jahres persönlich im Zusammenhang mit einem meiner ETFs ein länger bestehendes (Kommunikations-)Problem mit dem entsprechenden ETF-Anbieter hatte, der mich letztendlich dazu zwang, besagte Stelle einzubeziehen. Mit anschließend überraschend schnellem Erfolg für mich. Ich möchte kurz darüber berichten, damit auch Sie im Fall der Fälle zunächst diesen Weg beschreiten können und idealerweise außergerichtliche und somit schnelle Hilfe bekommen, wenn Sie Probleme in der direkten Interaktion mit einem Fondsanbieter haben.
Mitte Juli 2022 nahm der Prozess seinen Anfang, als ich erstmals eine Mail an die deutsche Tochter des ETF-Anbieters mit meinem Anliegen schrieb. Der Hintergrund: Seit 2015 bespare ich monatlich neben ETFs auf den MSCI World sowie MSCI Emerging Markets auch einen speziellen Themen-ETF, der die erhaltenen Dividenden einmal im Jahr ausschüttet. Bei den Ausschüttungen in den Jahren 2021 sowie 2022 fiel mir dann auf, dass die Ausschüttung pro ETF-Anteil erstmals nicht nur bedeutend niedriger lag als in den Jahren davor. Auch im Vergleich zu den konkurrierenden ETF-Angeboten zu diesem Thema wich die Ausschüttungshöhe pro Anteil teils extrem nach unten ab, obwohl in den Vorjahren stets nahezu ähnlich hohe Ausschüttungen erfolgten.
Wie Sie sich vorstellen können, war ich ziemlich irritiert über diese völlig unerwartete Entwicklung, die von allen ETFs zu diesem Thema anscheinend ausschließlich meinen betraf, obwohl die Zusammensetzungen und Proportionen teils sehr ähnlich sind. Da ich zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Informationen von der Fondsgesellschaft oder Depotbank erhielt, die das vielleicht hätten erklären können, schrieb ich Mitte Juli, zwei Wochen nach Erhalt der besagten Dividenden, die erwähnte E-Mail mit der Erläuterung meiner Verwunderung sowie der Bitte um Aufklärung.
Nur eine Woche später kam eine Antwort vom Kundenservice. Diese war zwar ausführlich, enthielt aber mehrere Aussagen zum ETF und seiner Eigenschaften, die diametral sowohl zu meinen eigenen Erfahrungen mit dem ETF standen als auch zu den Informationen zu genau diesem ETF, die auf der offiziellen eigenen Webseite des ETF-Anbieters zu finden sind. Kurz gesagt: Die Antwort warf überraschenderweise noch mehr Fragen für mich auf und verunsicherte mich, ob der Kundenservice die Produkte des eigenen Hauses kennt.
Also schrieb ich noch am gleichen Abend eine erneute E-Mail zurück mit den oben beschriebenen Erläuterungen sowie Quellennachweisen u. a. auf der eigenen Webseite des Fondsanbieters und wies auf die Widersprüche hin, erneut mit der Bitte um „richtige“ Aufklärung.
Anschließend passierte 1,5 Monate lang…nichts. Gutmütig, wie ich bin, schob ich das auf die Sommer- und Urlaubssaison und schrieb daher am 01. September eine Erinnerungsmail, wann ich eine Antwort auf meine vorangegangene Mail erwarten könne. Umgehend meldete sich Mitglied des Kundenservices zurück mit der Bitte um eine Entschuldigung und dass sie meine vorangegangene Mail anscheinend nicht erhalten hätten. Jetzt habe man diese und würde der Angelegenheit nachgehen und sich bei mir zurückmelden.Das Ergebnis: Erneute Funkstille, sodass ich Ende Oktober eine erneute Erinnerungsmail schrieb, auf welche wiederum vier Wochen lang ebenfalls keinerlei Reaktion erfolgte. Damit war der Zeitpunkt für mich gekommen, eine dritte Instanz als zusätzliches Druckmittel einzuschalten – die Ombudsstelle für Investmentfonds.
Nachdem ich mich zunächst vergewissert habe, dass der ETF-Anbieter oder auch dessen in Frankfurt ansässige Tochter Mitglieder bei der Ombudsstelle sind, brauchte ich nur das übersichtlich gehaltene 3-seitige Beschwerdeformular runterzuladen, welches ich komplett digital ausfüllen und unterschreiben konnte. Das ausgefüllte Formular schickte ich dann zusammen mit einem PDF-Ausdruck des E-Mail-Verlaufs mit dem ETF-Anbieter als Nachweis per E-Mail an die Ombudsstelle – erledigt. Ein zugegebenermaßen schön schlanker und nutzerfreundlicher Prozess.
Nur 3 Tage später bekam ich bereits eine offizielle Rückmeldung des Ombudsmanns, die zweigeteilter Art war. Einerseits kann die Ombudsstelle sich mit meinem Anliegen nicht direkt an den ETF-Anbieter selbst wenden, da dieser im EU-Ausland sitze und damit rein formal der dort ebenfalls existierende nationale Ombudsmann verantwortlich wäre. Allerdings verstehe man mein Anliegen, dass ich eigentlich nur aufklärenden Informationen von der besagten deutschen Tochtergesellschaft haben will, die ja für die Betreuung der deutschen Kunden zuständig sei. Daher werde die Ombudsstelle mein Anliegen dort ebenfalls erneut vortragen und diese darauf drängen, mein Anliegen abschließend zu klären.
Das muss Wunder gewirkt haben, denn eine Woche später meldete sich der Vertriebsleiter der deutschen Tochtergesellschaft per E-Mail bei mir und bot mir sehr freundlich ein persönliches Videocall-Gespräch an, um die Angelegenheit zu klären. Dieses führten wir am darauffolgenden Abend, in welchem all meine Fragen und Verwunderungen mehr als zufriedenstellend und nachvollziehbar beantwortet wurden. Zudem bat der Herr mehrfach um Entschuldigung für den sehr unschön verlaufenen bisherigen Mailverlauf und bedankte sich mehrfach für meine Geduld mit der Gesellschaft.
Kurz gesagt: Es geht doch und mehr wollte ich auch gar nicht. Ich werde den besagten Themen-ETF daher auch nicht wie als „ultima ratio“ angedacht austauschen, sondern weiter behalten und monatlich besparen wie bisher. Und auch Ihnen als Leser bzw. Leserin kann meine Episode vielleicht weiterhelfen: Als Orientierungsvorlage für solche oder ähnliche Fälle, wo man den gerichtlichen und langwierigen Weg als allerletzte Option eher vermeiden möchte.
Haben Sie Fragen zu diesem Artikel? Was finden Sie besonders gut, was vielleicht eher schlecht? Was sollten wir besser machen? Schreiben Sie uns an dieser Stelle gern Ihre Meinung. Wir freuen uns stets über Ihr Feedback.
Hallo obefritz,
das "wie wurde das erklärt" - siehe meinen Antowrtkommentar unter Goethes Kommentar.
Das "Wieso damit zufriedengeben": Ich bin 1) aktuell nicht auf Dividendenzahlungen angewiesen und habe diese ohnehin imer sofort in den gleichen ETF reinvestiert mit Blick auf die nächsten 15-20 Jahre. Zudem kommt es 2) aus meiner Sicht auf die Totalrendite an - also Kursentwicklung plus Dividenden. Und wenn Unternehmen anstelle Auschüttungen das Geld sinvoller für Geschäftsausbau, Expansion, Produktneuentwicklung usw. nutzen können und somit langfristig auch (gerade) im Kurs wertvoller werden als Ausgleich zur "geringeren Dividende", ist mir das aktuell genauso recht oder sogar lieber als Dividendenzahlungen, wo der Kurs aber nicht vom Fleck kommt oder sogar langfristig fällt, weil völlig falscher Fokus und somit gefährdete Unternehmensexistenz.
Insofern: Wichtig ist mir das Thema des ETF und eine "gute" Abdeckung des entpsrechenden Marktes durch "gute" Unternehmen ("gut" im Sinne "das passt für mich von meiner Idee her"). Ob sich der ETF in 20 Jahren primär durch Kursentwicklung, durch Dividenden oder sehr wahrscheinlich durch beides in unterschiedlichen, im Zeitverlauf immer wieder schwankenden Relationen (hoffentlich) gut entwickelt hat, ist mir relativ egal - die Totalrendite insgesamt zählt für mich. Und wenn ich Dividenden DANN wirklich ausgeschüttet brauche zwecks Lebensunterhalt, kann ich halt umschichten.
Viele Grüße, David Stahmann
Ist hilfreich und auch beruhigend zu wissen, dass es im Falle eines Falles die Möglichkeit gibt, sich Gehör zu verschaffen. Gleichwohl bezweifle ich, dass der gewöhnliche Anleger sich anschließt und die damit verbundene Geduld und den Zeitaufwand für die Sammlung aller erforderlichen Hintergrundinformationen aufbringt, sowie das erforderliche Detailwissen besitzt. Dennoch besten Dank.
Hallo,
Was war denn nun der Grund für die extrem gesunkenen Ausschüttungen?
Mit freundlichen Grüßen
Hallo Goethe,
ich hatte das extra weggelassen zugunsten der Artikelkürze und da ich der Meinung war, dass dieser Aspekt der weniger interessante Teil für die Leser*innen sei. Da habe ich mich wohl geirrt - sorry.
Der Grund war ganz simpel und zum Teil bereits von mir vermutet, aber eben nicht klar: Zwar gibt es zwischen Themen-ETF sowie den Konkurrenz-ETFs mit gleichem Schwerpunktthema sehr große Überschneidungen, was v. a. die jeweils ausgewählten Unternehmen in den Indizes betrifft. ABER: Mein ETF hat eine etwas andere Sektorengewichtung - der Industriesektor liegt in meinem ETF rund 20 Prozentpunkte höher zulasten des Versorger-Sektors. Und aufgrund Corona, Lieferkettenthematik sowie dem Punkt, dass Industrieunternehmen im Schnitt geringere Dividendenrenditen als Versorger aufweisen, haben viele dieser Industrieunternehmen z. B. temporär aus Vorsichtsgründen Dividendenkürzungen vorgenommen (etwa Liquiditätserhalt oder Nutzung für Akquisitionen), was bei Versorgeraktien eher selten der Fall ist/war aufgrund des streng regulierten und damit vorhersehbaren Geschäftsmodells. Und da mein ETF im Vergleich zum Konkurrenz nicht nur auf hohe Dividendendrenditen schaut, sondern auf die Totalrendite (also auch Kursgewinne), ist der Industrieanteil bei mir höher und oben beschriebene Entwicklung wirkte sich somit bei mir stärker aus als beim anderen ETF. Ich hatte lediglich unterschätzt, wieviel Unterschied dieser 20 Prozentpunkte machen können. Zudem wurde mein ETF ein wenig insofern umgestellt, dass ein Teil der Dividenden nun automatisch auf Fondsebene thesauriert wird. Das führte alles in allem zur besagten Entwicklung und ist damit für mich völlig ausreichend und nachvollziehbar genug erläuert.
Viele Grüße, Schiller (leider nicht, sondern: David Stahmann)
Bestimmt ist Ihr Hinweis auf diese Schlichtungsstelle für einige Leser sehr nützlich - also Danke. Aber in so einem Video-Call-Gespräch mit dem Vertriebsleiter der deutschen Niederlassung wirklich durchblicken zu können und damit bestehen zu können, dafür fehlt wohl vielen Lesern (definitiv auch mir !) Ihrer Zeilen das dazu zwingend notwendige tiefgründige Begriffs-, Detail- und Fachwissen. Denn Vertriebsleiter im Finanzbereich wird nach meinen Lebenserfahrungen nur jener, der es am besten versteht die Kunden zu belügen, zu beschwatzen, über den Tisch zu ziehen und dessen realer Unsinn am glaubhaftesten, am ehrlichsten und am besten formuliert klingt. Und weil das bei solchen Fragezeichen wohl öfters so ist, verzichten wohl viele Kunden lieber verärgert und zähneknirschend auf jegliche Rechtswege und Rechtsmittel. Und wer ehrlich zu sich selbst ist, wird mir zustimmen müssen.
Hallo Kritischer,
da haben Sie natürlich recht: Wie hilfreich dieser Weg dann im Einzelfall für Personen mit unterschiedlichem "Wissensgrad" ist, ist eine ganz andere Frage. Daher auch ganz bewusst in meinem letzten Satz im Artikel das Wörtchen "Orientierungsvorlage" als ggf. weitere Option vor radikaleren Schritten, die einem ja nicht versperrt bleiben.
Wenn nichts anderes hilft, um zu seinem (Kunden-)Recht zukommen, dann ist es eben (leider) so und dann geht man diesen Weg.
Viele Grüße, David Stahmann
Wie hat er denn die niedrigeren Ausschüttungen erklärt und wieso haben Sie sich mit diesen niedrigeren Ausschüttungen zufriedengegeben?
Antwort schreiben